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Liegt Frankfurt in Simbabwe?

Von Christian Ortner

Gastkommentare
Christian Ortner.

Wenn Europas Zentralbank wirklich beginnen sollte, Pleitestaaten zu finanzieren, wäre dies der größte politische Betrug der Nachkriegszeit.


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Glauben wir dem weltbekannten Ökonomen, Nobelpreisträger und "New York Times"-Kolumnisten Paul Krugman, kann Europa seine lebensbedrohende Schuldenkrise auf eher legere Art in den Griff kriegen: Indem die Europäische Zentralbank einfach macht, was ihr - bisher - streng verboten ist. Geld drucken, Geld drucken, Geld drucken: Das ist (in nur leicht vereinfachter Darstellung) Krugmans Therapie. Mit dem frischgedruckten Geld soll dann einfach das Defizit von Staaten wie Italien und Spanien bedeckt werden.

Weil immer mehr Regierungen das genauso sehen, wächst der Druck auf die Frankfurter EZB, endlich die Banknotenpresse anzuwerfen. Und je verzweifelter die Lage der Euro-Staaten im Schuldenstrudel wird, desto näher rückt für die EZB die Stunde der Entscheidung: Soll sie alle bisherigen Grundsätze des gesunden Geldes nach dem Muster der Deutschmark über Bord werfen und Krugmanns Therapie anwenden oder weiterhin das vor allem den Deutschen unantastbare Tabu der Staatsfinanzierung durch die Notenbank respektieren?

Leider ist mittlerweile nicht mehr auszuschließen, dass die EZB schon bald dem Druck zum Gelddrucken nachgibt. Sie riskierte damit völlig unkontrollierbare Inflation und letztlich eine weitgehende Entwertung von Sparvermögen in der Eurozone. Der große österreichische Ökonom Ludwig von Mises erkannte schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts: "Durch Kunstgriffe der Bank- und Währungspolitik kann man nur vorübergehende Scheinbesserung erzielen, die dann zu umso schwererer Katastrophe führen muss." Die Annahme, man könne durch das Bedrucken kleiner Papierstücke Wohlstand generieren, ist eben nicht wirklich schlüssig argumentierbar.

Gleichzeitig riskierte die EZB, wendete sie Krugmans Rezepturen tatsächlich an, dass die Schuldenjunkies unter den Euro-Ländern natürlich auf der Stelle wieder zu ihren ungünstigen budgetären Gewohnheiten des Kreditexzesses zurückkehrten. Warum auch soll ein Staat sparen, wenn er unbegrenzt Bares bei der Zentralbank beheben kann?

Als reichte all das noch nicht, wäre eine derartige dramatische Wende der Europäischen Notenbank schließlich auch schwerer politischer Betrug an den Bürgern des ehemaligen Deutschmark-Blockes (darunter Österreich). Denn deren Zustimmung zum Euro war glasklar und unmissverständlich daran geknüpft, dass der Euro nach dem Vorbild der Mark geschaffen wird - und nie genau das zugelassen wird, was jetzt droht. Dass ein Deutscher, Österreicher oder Niederländer im Vollbesitz seiner Geisteskräfte dem Euro seinerzeit zugestimmt hätte mit der Aussicht, die EZB würde dereinst agieren wie die Zentralbank von Simbabwe, kann mit ziemlicher Sicherheit ausgeschlossen werden.

Ausgeschlossen werden kann deshalb auch, dass die Bürger der ehemaligen Hartwährungsstaaten einen derartigen Betrug hinnehmen würden, ohne dass es zu gewaltigen politischen Verwerfungen käme. Die Deutschen würden sich das nämlich nicht gefallen lassen. Was Krugman empfiehlt, könnte deshalb aus dem vielzitierten "Friedensprojekt EU" eine ziemlich explosive Angelegenheit machen.

ortner@wienerzeitung.at