Auf der Terrasse des Europabüros des Liberalen Forums in der Reichsratsstraße ließ Spitzenkandidat Johannes Strohmayer in einem Interview erkennen, daß hinter der kühlen, intellektuellen Fassade | sehr viel politisches Engagement und Menschlichkeit stecken. Persönlich will er sich in Brüssel vor allem für die Liberalisierung der Wirtschaft einsetzen und die EU-Themen auch innerhalb Österreichs | medial zur Diskussion stellen.
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Schon beim Wahlkampfauftakt der Liberalen Anfang Mai herrschte positive Stimmung unter den Kandidaten und Unterstützenden · "You win, when you believe", betonte damals Listenzweite Martina
Gredler vor versammeltem Publikum.
Im Verlauf des diesmal kantigen Wahlkampfes versuchten die Liberalen, sich als die positive Oppositionspartei zu behaupten und wollten als die Europapartei überzeugen.
Die Europapartei
Weshalb die Europapartei? "Die Liberalen waren in der jüngeren Geschichte diejenigen, die für ein neues Europa eingetreten sind · und für eine europäische Integration", erklärte
Spitzenkandidat Johannes Strohmayer im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Prinzipiell stehen die Europäischen Liberalen für ein gemeinsames neues Europa und sind die drittgrößte Fraktion im
Europäischen Parlament · 20 Millionen EU-Bürgerinnen und -Bürger wählen demnach liberal.
Was das Liberale Forum konkret von den anderen für das Europaparlament kandidierenden Parteien unterscheidet, liegt für Strohmayer klar auf der Hand: "Grüne und FPÖ verfolgen im Prinzip eine
Anti-Europa-Linie. Die Regierungsparteien sind für die EU, in vielen Bereichen aber inkonsequent und reden mit gespaltener Zunge." Hier führte der Spitzenkandidat die aktuelle Debatte NATO versus
Neutralität als Beispiel an und betonte: "Ich verwehre mich, alle Schuld nach Brüssel zu schieben".
Die Wirtschaft
gehört liberalisiert
"Ein großes Anliegen ist mir die Liberalisierung der Wirtschaft", erklärte Strohmayer, im Brotberuf Wirtschaftstreuhänder. Österreich sei ein ziemlich "zubetoniertes Land, das Liberalisierung
nicht zuläßt. Wir werden aber von Brüssel gezwungen, daß wir offener und liberaler werden". Als positives Beispiel führte er den Telekom-Bereich an, in Folge dessen Liberalisierung "der halbe Preis,
gutes Service, 30.000 neue Arbeitsplätze und 15. Mrd. Schilling an Investitionen" erzielt wurden. "Dies zeigt, was Liberalisierungen bringen können." Die Regierung verschlafe viele weitere
Möglichkeiten, kritisierte der Wirtschaftsprofi: So etwa könnte mit entsprechenden Maßnahmen der Strompreis um 30 Prozent niedriger sein und Benzin um mindestens 50 Groschen billiger. Im Bereich der
Mieten wäre durch ein Streichen der Mehrwertsteuer ein Minus von 10 Prozent machbar. Die Getränkesteuer letztendlich verstoße sogar gegen europäische Gesetze. Hier sei die "Regierung der Bremser und
Schläfer am Werk", lautet Johannes Strohmayers Kritik.
Begleitende Kontrolle
Weiters brauche Österreich in Brüssel einen Wirtschaftsprofi, der auf "die vernünftige Verwendung des österreichischen Steuergeldes in Europa achtet. Als Wirtschaftstreuhänder habe ich die
Kontrolle gelernt". Sehr wichtig wäre eine begleitende Kontrolle aller EU-Projekte, die nur dem Parlament verantwortlich ist. Unabhängige sollen demnach Verschwendungen schon an der Wurzel
feststellen.
Man muß vermitteln,
was in Brüssel passiert
Als eine Pflicht der Abgeordneten im Europäischen Parlament sieht Strohmayer auch, die behandelten Themen in Österreich medial zur Diskussion zu stellen, "denn 80 Prozent der Gesetze
entstehen schon in Europa". Deshalb sei es von Nöten, diverse Gesetze noch vor ihrem Beschluß im Land zu diskutieren. So gäbe es auch "einen gewissen Druck auf die Regierungsparteien, die wahren
Interessen Österreichs in Brüssel vorzubringen. Denn derzeit setzen diese in der EU einen Hut auf und in Österreich einen anderen", so Strohmayer.
Außerdem treten die Liberalen für eine Europäische Friedens- und Sicherheitsunion ein · ein EU-Sicherheitssystem ohne US-Kommando mit einem militärischen Arm, der eine europäische Armee ist. "Damit
gäbe es einen Wegfall der allgemeinen Wehrpflicht in Österreich und die 18-jährigen gewinnen ein verlorenes Jahr.
Europasteuer ist
"totaler Blödsinn"
Die Europasteuer sieht Strohmayer als "totalen Blödsinn" und fordert eine Harmonisierung aller europäischen Steuern, die für Österreich eine Senkung der Einkommen- und Körperschaftssteuer bedeuten
würde. Damit würde die Steuerquote von 45 auf 39 Prozent fallen. Außerdem seien die Lohnnebenkosten in Österreich verglichen mit dem europäischen Durchschnitt sieben Mal zu hoch · bei uns 2,8
Prozent, der EU-Durchschnitt ist 0,4 Prozent. Die Liberalen fordern deshalb eine drastische Senkung dieser "arbeitsplatzvernichtenden" Abgabe.
Das "sonderbare Europagefühl der Österreicher" begründet Strohmayer damit, daß "die Menschen hier nichts wissen". Man müsse sie darüber informieren, was in der EU passiert. Deshalb will der Liberale
als Abgeordneter mindestens einmal pro Woche nach Wien kommen, um neben der parlamentarischen Arbeit in Brüssel hier Informationsarbeit leisten zu können.
Die Zukunft sieht Strohmayer in drei Wirtschafts- und Sicherheitsblöcken: dem asiatischen, amerikanischen und europäischen Raum. Der Liberale glaubt, "daß wir als kleines Land im großen, starken
Europa besser aufgehoben sind". In allen drei Säulen des Liberalismus · Menschenrechte und Demokratie, Gesellschaftspolitik und Wirtschaftspolitik · würden wir von einem starken Europa profitieren.
Zeit für liberale
Ideen ist gekommen
Strohmayer sieht jetzt die Zeit für liberale Ideen gekommen. Schon viel zu lange sei Österreich proporzmäßig in Rot und Schwarz aufgeteilt · vom Autofahrerklub über die Akademikervereinigungen bis
hin zur Regierung. "Wir brauchen aber offener Systeme".