Zu hohe Kosten wegen unerlaubter Absprachen? | Der Wettlauf gegen eine mögliche Verjährung beginnt. | Wien. Zu einer Rekord-Kartellbuße von 75,4 Millionen Euro sind die Aufzugs- und Rolltreppenhersteller Otis, Kone und Schindler wegen unerlaubter Absprachen bereits Ende 2008 verurteilt worden. Das wirklich dicke Ende könnte den drei Unternehmen und ihrem ehemaligen Mit-Kartellanten Thyssen-Krupp aber noch bevorstehen.
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Mit Jahresbeginn bahnt sich eine wahre Lawine an Schadenersatzklagen an. Zahlreiche Großkunden behaupten, über viele Jahre hinweg zu hohe Preise bezahlt zu haben - etwa bei Wartungsverträgen. Um einem möglichen Streit über Verjährungsfristen zuvor zu kommen, sollen die diesbezüglichen Ansprüche nun bis 5. Februar 2010 bei Gericht geltend gemacht werden. Nach langem Taktieren aller Beteiligter hat sich am Mittwoch überraschend die Stadt Linz als Erstes aus der Deckung gewagt: Man werde gemeinsam mit der Linzer gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft GWG und der Stadt Wien eine Klage einbringen, so Vizebürgermeister Klaus Luger. Allein in Oberösterreich reiche die Schadenssumme an die 20 Millionen Euro heran.
"Interessen wahren"
Seitens der Stadt Wien will man die Klage zum jetzigen Zeitpunkt nicht bestätigen: Man werde aber die "rechtlichen und finanziellen Interessen" der Stadt wahrnehmen, so eine Sprecherin zur "Wiener Zeitung". Geprüft werden mögliche Regressforderungen durch die Bundeshauptstadt freilich schon länger (die "Wiener Zeitung" berichtete). Diese dürften wohl auch besonders hoch ausfallen.
Wie berichtet, wollen nämlich sämtliche betroffene Einrichtungen der Stadt geschlossen gegen die Aufzugsfirmen vorgehen. Das betrifft auch die Schwergewichte Wiener Wohnen, Wiener Linien und den Wiener Krankenanstaltenverbund. Eine konkrete Schadenssumme hat die Stadt bis dato nicht genannt.
Letzteres gilt auch für den Bund: Laut Kurt Klima von der Finanzprokuratur wird Mitte Jänner die endgültige Entscheidung fallen, ob die Bundesimmobiliengesellschaft und der Bund selbst eine Klage einbringen werden.
Städtebund als Basis?
In mit der Angelegenheit vertrauten Kreisen geht man freilich davon aus, dass sich der Bund diese Chance nicht entgehen lassen wird. Darüber hinaus haben auch bereits die ÖBB eine Anwaltskanzlei in Zusammenhang mit dem Liftkartell-Fall beauftragt. Während Wien und Linz als erste Städte in den Ring steigen, verfolgt man unter anderem auch in Salzburg, Innsbruck und Graz das Geschehen mit großem Interesse. Vor einer Entscheidung wird hier teilweise auch versucht, über den Städtebund ein koordiniertes Vorgehen sicherzustellen. Es gebe zwar noch keine einheitliche Plattform, so Städtebund-Generalsekretär Thomas Weninger. Selbstverständlich werde man aber die Mitglieder gegebenenfalls entsprechend betreuen.
Keine Stellungnahme wollte am Mittwoch die Immofinanz - einer der größten Wohnungseigner des Landes - abgeben. Das Unternehmen stand bei der Debatte um derartige Schadenersatzklagen in der Vergangenheit immer an vorderster Front. Dabei ist sogar von einem Schaden von mehr als 250 Millionen Euro die Rede gewesen.
Gespräche über eine außergerichtliche Lösung gibt es laut Eingeweihten derzeit nicht. Da es in Österreich das erste derartige Verfahren in dieser Dimension ist, gilt der Ausgang als ungewiss. Rechtlich spannend ist auch die Situation von Thyssen-Krupp: Als Kronzeuge der Wettbewerbsbehörde war das Unternehmen im Kartellprozess nämlich ohne Geldbuße davongekommen. Setzt es nun hohe Schadenersatzzahlungen, könnte das künftig potenziellen Kronzeugen den Appetit verderben, auszupacken.