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Linke holt in slowakischen Städten auf

Von WZ-Korrespondentin Karin Bachmann

Europaarchiv

Bürgerliches Lager verliert Hochburg Bratislava. | Unabhängige Kandidaten holen Stimmen für Ficos Smer-SD zurück. | Bratislava. Nach den Kommunalwahlen am Samstag sind viele bisherige Selbstverständlichkeiten in der politischen Landschaft der Slowakei außer Kraft gesetzt. Da wäre zunächst einmal die Wahlbeteiligung. Immerhin machte diesmal jeder zweite Wahlberechtigte von seinem Stimmrecht Gebrauch, während es bei bisherigen Kommunalwahlen gerade einmal jeder Dritte tat.


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Eine höhere Wahlbeteiligung nutzte bisher stets dem bürgerlichen Lager. Am Wochenende profitierte jedoch die politische Linke davon. Künftig hat der von der sozialdemokratischen Smer-SD von Ex-Premier Robert Fico unterstützte Milan Ftacnik das Sagen in Bratislava. Ficos Parteifreund, der ehemalige Gesundheitsminister Richard Rasi, wird die zweitgrößte Stadt Kosice regieren.

Ftacnik setzte sich unter anderem gegen die bürgerliche Kandidatin Magda Vasaryova durch. Wirklich überraschend kam das nur für die, denen die Hauptstadt als schlichtweg uneinnehmbare Hochburg der Konservativen galt. Umfragen zufolge hatte Ftacnik bei den Wählern nämlich schon seit Wochen die Nase vorn. Außerdem sei dem bisherigen Ortsbürgermeister von Petrzalka zugute gekommen, dass er seinen Wahlkampf sehr zeitig angegangen und damit vielen Bürgern schon vertraut gewesen sei, glauben Beobachter.

Für die slowakische Ministerpräsidentin Iveta Radicova bedeutet die Niederlage ihrer Wunschkandidatin Magda Vasaryova vor allem einen persönlichen Rückschlag. Ein Denkzettel der Hauptstädter für den von ihr eingeschlagenen Sparkurs sei darin nämlich nicht zu sehen, sind sich slowakische Kommentatoren einig. Dafür spricht auch, dass sich Ftacnik in seinem neuen Amt an Radicovas Haushaltsführung orientieren will. Allerdings wird er etliche Kompromisse eingehen müssen. In der Stadtverordnetenversammlung haben die Bürgerlichen 30 Mandate von 45 Sitzen inne.

Smer-SD stellt nun 74 der 138 slowakischen Oberbürgermeister, zuvor waren es nur 36. Die Partei, die nach den nationalen Parlamentswahlen im Juni trotz eines gewaltigen Stimmenvorsprungs nicht weiterregieren konnte, bestätigte damit ihre Position als stärkste politische Kraft im Lande. Dies erreichte sie nicht zuletzt dadurch, dass sie vielerorts unabhängige Kandidaten unterstützte.

Neuausrichtung deslinken Lagers nötig

Aus Sicht von Politologen ist dies der derzeit vielversprechendste Weg für Smer-SD, sich wieder bei früheren Wählern zu etablieren und damit mittelfristig das gesamte linke Spektrum der Slowakei zu bedienen. "Smer-SD hat sich von der Partei des dritten Weges zum deutlich national ausgerichteten Stimmrohr für Rentner und die kleinen Leute entwickelt und darüber viele sogenannte Gebildete als Klientel verloren", meint Pavol Marchevsky vom Zentrum für Sozialstudien beim slowakischen Statistikamt.

Hier lasse sich nur durch eine Neuausrichtung von Smer-SD gegensteuern, wenn es nicht zur Gründung einer weiteren linksorientierten Partei kommen solle.