Die CDU gewinnt zwar die Wahl in Berlin. Trotzdem wollen offenbar SPD, Grüne und Linke ihre Koalition fortsetzen.
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Kai Wegner hat seinen bisher größten politischen Erfolg erzielt - und droht am Ende trotzdem mit leeren Händen dazustehen. Der Spitzenkandidat der CDU hat seine Partei in Berlin zu einem überlegenen Wahlsieg geführt. Mit 28,2 Prozent der Stimmen lag die CDU klar vor der SPD und den Grünen, die beide rund 18,4 Prozent erhielten, und stellt damit erstmals seit 2001 wieder die Mehrheit im Abgeordnetenhaus der Bundeshauptstadt. Doch sieht es danach aus, dass ein Bündnis aus SPD, Grünen und Linke den Wahlsieger auf die Oppositionsbank setzen wird.
Denn die bisherige Linksregierung besitzt auch weiterhin eine komfortable Mehrheit: Sie kommt gemeinsam auf 90 der 159 Sitze. Auch wenn die CDU davon spricht, dass eine Fortsetzung der "Koalition der Verlierer" nach diesem Wahlergebnis "unanständig" wäre, scheint die Lust auf eine Zusammenarbeit mit den Konservativen in der linken Hälfte der Hauptstadt überschaubar zu sein.
"Wenn die SPD in der Lage ist, eine starke Regierung anzuführen, dann ist das für uns ein Punkt, den wir nicht einfach zur Seite schieben können", sagte SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey dem RBB-Inforadio. Auch die Grünen bekundeten bereits, dass die Fortsetzung der rot-grün-roten Koalition weiterhin ihr bevorzugtes Modell sei, und die Linkspartei sprach sich ebenso für eine weitere Zusammenarbeit aus.
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Dieser Schulterschluss hat zunächst einmal machtpolitische Gründe: Giffey würde wohl Bürgermeisterin bleiben. Die Grünen könnten in einer derartigen Konstellation nun aber größere Ansprüche stellen als bisher, trennen sie doch nur noch 150 Stimmen von der SPD. Und für die Linke ist ein derartiges Bündnis die einzige Chance, weiter mitzuregieren.
Darüber hinaus tun sich SPD und Grüne, mit denen die CDU entweder eine große oder eine grün-schwarze Koalition bilden könnte, mit der CDU schwer: So meinte die grüne Spitzenkandidatin Bettina Jarasch, dass die CDU in Berlin weiter mit den Grünen auseinander liege als woanders in Deutschland, weil es hier "einen sehr progressiven Grünen-Landesverband" und "eine im Kern sehr, sehr konservative CDU" gebe. Dasselbe gilt auch für die SPD: Kaum wo ist der Landesverband derart links und weit entfernt von der CDU wie in Berlin.
Die CDU liegt bei Arbeitern deutlich vor der SPD
Deshalb haben SPD, Grüne und Linke untereinander auch inhaltlich wesentlich mehr Schnittmengen als mit der CDU. Während die Linkskoalition weiter den Fahrradverkehr fördern will, wettert die CDU dagegen, dass Autofahrer viel zu sehr an den Rand gedrängt würden. Ein anderes im Wahlkampf umstrittenes Thema war die innere Sicherheit. Nach den Silvesterausschreitungen, bei denen Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr attackiert wurden, verwies die CDU darauf, dass der Großteil der Täter Migrationshintergrund hatte, und sah hier massive Integrationsprobleme. SPD und Grüne wiederum betrachteten die Ausschreitungen als kriminologisches und soziales Problem und warfen der CDU vor, die Gesellschaft zu spalten.
Mit dem Thema "Ordnung und Sicherheit" hat Wencke jedenfalls einen wunden Punkt getroffen. Laut der von der ARD veröffentlichten Nachwahlbefragung von "Infratest dimap" war dies für insgesamt 41 Prozent der CDU-Wähler das wichtigste Thema.
Zudem profitierte Wencke von einer massiven Unzufriedenheit mit der Berliner Stadtregierung, der etwa lange Behördenwege, fehlende Schulplätze oder der Verlust von leistbarem Wohnraum vorgeworfen werden: Rund 50 Prozent der Wähler haben demnach aus Enttäuschung über die bisherige Regierung für Wencke und seine Partei gestimmt. Die bürgerliche CDU wurde damit zu einer Protestpartei, die laut der "Forschungsgruppe Wahlen" ausgerechnet bei den Arbeitern mit rund 31 Prozent Zustimmung die stärkste Kraft wurde. Die SPD erreichte bei ihrer einstigen Kernklientel nur 19 Prozent. Auch bei den Beamten und älteren Wählern reüssierte die CDU.
Die Grünen wiederum waren bei jungen Wählern und Berlinern mit Hochschulabschluss stärkste Partei, während die SPD ihre Stimmen recht gleichmäßig über die einzelnen Wählergruppen verteilt holte. Vor allem aber verloren die Sozialdemokraten viele Stimmen an die CDU.
Ein Schicksal, das auch der FDP widerfuhr - für die die Wahl mit 4,6 Prozent der Stimmen zum nächsten Debakel wurde. Wie zuvor im Saarland und in Niedersachsen flogen die Liberalen aus der regionalen Vertretung. Das verstärkt den Eindruck bei der FDP, in der bundesweiten Koalition mit SPD und Grünen unter die Räder zu kommen. "Die Stimme der FDP innerhalb der Ampel muss deutlicher sein als vorher", sagte Generalsekretär Bijan Djir-Sarai dem ZDF. Streit in der Koalition scheint damit vorprogrammiert - zumal Djir-Sarai gleich einmal die Grünen attackierte, dass sie liberale Kernanliegen wie den Infrastrukturausbau blockieren würden.
Konservatives Profil macht Verhandlungen schwierig
Auf eine ganz andere Weise reibt sich derzeit die CDU an den Grünen: Berlin-Spitzenkandidat Wegner grenzte sich mit klaren Gegenpositionen von der Ökopartei ab, wie die Integrations- und Verkehrsdebatte zeigten. Damit handelte er im Sinne des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz, der nach den Merkel-Jahren die CDU zwar weiter als Partei der Mitte definiert, aber auch deren konservativen Kern stärken will. Das macht aber wiederum Koalitionsverhandlungen mit den Grünen und auch mit der SPD schwieriger. Auch deshalb wird es nun für die CDU kompliziert, einen Koalitionspartner in Berlin zu finden, auch wenn SPD und Grüne versprachen, "ernsthafte Gespräche" mit der CDU zu führen.
Doch könnte eine Fortsetzung der linken Koalition in Berlin der Union auf Bundesebne sogar nutzen: Nur allzu gerne bemühen CDU/CSU das Bild von Berlin als Chaoshauptstadt, die das Scheitern linker Politik repräsentieren würde.
Dass es in Berlin große Unzufriedenheit gibt und das Votum ein Aufruf zur Veränderung ist, hat aber auch Bürgermeisterin Giffey so verstanden. "Egal, in welcher Konstellation wir agieren: Es braucht Veränderungen in der Stadt und in der Zusammenarbeit in der Regierung - da ist schon einiges aufzuarbeiten", betonte sie nach dem historisch schlechtesten Wahlergebnis der SPD.