Zum Hauptinhalt springen

Linksruck im Polderland

Von WZ-Korrespondentin Ruth Reichstein

Politik

Gewinne für PvdA und Sozialisten. | Starke Verluste für Rechtspopulisten. | Rotterdam. Die bürgerliche Regierung Balkenende hat bei Kommunalwahlen in den Niederlanden eine Niederlage erlitten. Auch die Rechtspopulisten sind geschwächt. Zugelegt haben die oppositionellen Sozialdemokraten und Sozialisten.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 18 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Das erste Opfer der Kommunalwahlen in den Niederlanden gab es schon in der Nacht auf Mittwoch: Der Fraktionsvorsitzender der liberalen Koalitionspartei VVD, Jozias van Aartsen, trat nur wenige Stunden nach Bekanntgabe der Endergebnisse zurück. Die VVD bildet gemeinsam mit der linksliberalen D 66 und den Christdemokraten von Jan Peter Balkenende die Regierungskoalition in Den Haag.

Mehrheit verloren

Nach den Kommunalwahlen am Dienstag fragt sich allerdings, wie lange noch. Die Regierungskoalition hat nämlich ihre Mehrheit im Land verloren. Die Christdemokraten haben im Vergleich zu den letzten Kommunalwahlen vor vier Jahren über vier Prozent eingebüßt und sind mit 16,9 Prozent nur noch zweitstärkste Kraft im Land. "Rechnet man die lokalen Parteien raus, sind die Verluste noch viel größer und liegen bei sieben bis zehn Prozent", sagt André Krouwel, Soziologe und Politologe an der Freien Universität Amsterdam. Die liberale VVD kam landesweit nur noch auf 13,8 Prozent. Auch die lokalen Listen des inzwischen verstorbenen Rechtspopulisten Pim Fortuyn mussten teilweise starke Verluste hinnehmen. In Rotterdam verloren sie ihre Mehrheit. In Eindhoven kam die Liste nur noch auf sieben Prozent - im Vergleich zu knapp 20 Prozent vor vier Jahren. Damals hatte Pim Fortuyn mit ausländerfeindlichen Parolen in vielen Städten einen Überraschungssieg errungen.

Die eindeutigen Gewinner sind die sozialdemokratische Partij van de Arbeid (PvdA) und die Sozialisten. Die PvdA gewann knapp acht Prozent und liegt nun bei 23,4 Prozent. Die Sozialisten verdoppelten ihren Stimmenanteil auf 5,7 Prozent. Damit wäre eine Koalition aus den linken Parteien und den Grünen auch landesweit möglich. Premierminister Jan Peter Balkenende räumte zwar die Niederlage ein, unterstrich aber das Durchhaltevermögen seiner Regierungskoalition: "Wir machen ein schweres Jahr durch und mussten unangenehme Maßnahmen durchsetzen. Aber jetzt werden die Erfolge unserer Arbeit kommen." Balkenende hofft also, dass die Wähler im Mai 2007 bei den Parlamentswahlen die Arbeit seiner Regierung positiver bewerten als zurzeit.

Der Linksruck in den Niederlanden ist nicht wegzudiskutieren - und das landesweit. Hier nur einige Beispiele: In Amsterdam gewann die PvdA knapp elf Prozent der Stimmen hinzu. In Den Haag waren es acht und in Rotterdam sogar 15 Prozent. Lokale Politik spielte dabei kaum eine Rolle. Die wichtigsten Themen waren Arbeitslosigkeit, die Reform des Gesundheitswesens, Kinderbetreuung und die Integrationspolitik. Denn nach einer Untersuchung des Instituts für ethnische Studien an der Universität Amsterdam haben über 80 Prozent der wahlberechtigten Einwanderer für die Parteien links von der Mitte gestimmt.