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Linsengericht: Der ORF und die Kirche

Von Manfred A. Schmid

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Es war nicht am 11. 11. um 11 Uhr, sondern zwei Tage zuvor, dass Generalintendant Gerhard Weis bei einem Treffen mit den Bischöfen sein Unternehmen mit der Kirche verglich und auf einige

Parallelen stieß: Beide hätten einen Auftrag, beide stünden in Konkurrenz zu anderen Mitbewerbern. Jene, die der Kirche den Rücken kehrten, wendeten sich weniger anderen Glaubensgemeinschaften zu als

vielmehr den heutigen "Konsumtempeln" und dem "Kult des Entertainments". Auch der ORF sehe sich Anbietern gegenüber, die keinem Auftrag als jenem der Profitmaximierung verpflichtet seien: "Im Kampf

um den Seher ist jede Geschmacksverirrung und Geschmacksverwirrung recht. Hauptsache, die Quoten stimmen", so Weis laut Kathpress am Dienstag.

Obwohl derartige Vergleiche derzeit offenbar hoch im Kurs stehen · "Marketing ist Gottesdienst am Kunden", meinte etwa der deutsche Kommunikationstheoretiker Norbert Bolz am Donnerstagabend in seinem

Eröffnungsvortrag bei der Werbewirtschaftlichen Tagung in Wien · ist diese Behauptung eher kühn. Vom Aushängeschild und öffentlich-rechtlichen Deckmäntelchen Ö 1 einmal abgesehen, unterscheidet den

ORF nämlich nur noch wenig von den TV-"Konsumtempeln", von denen man in den letzten Jahren so gut wie alles abgekupfert hat, was schlecht und teuer ist: Von der Kuppelshow "Herzblatt" über die

Gameshow "Bingo" bis hin zur unsäglichen neuen Talkshow mit Barbara Karlich; von den im Schrott-Großhandel eingekauften Serien und Filmen gar nicht zu reden. Um hier also Parallelen auszumachen, muss

man schon sehr weit ausholen: "Die Kirche hat einen guten Magen", heißt es in Goethes "Faust", "hat ganze Länder aufgefressen und doch noch nie sich übergessen." Mit so einem gefräßigen Magen ist

offenbar auch der ORF ausgestattet. Fragt sich nur, ob wir als Konsumenten da noch mithalten können oder ob uns nicht immer öfter speiübel wird.