Zum Hauptinhalt springen

Lissabon-Vertrag: EU-Parlament drängt zur Eile

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Irland kommt mit Nein zu Lissabon stärker unter Druck. | Reform in 24 Ländern abgesegnet. | Brüssel. Im EU-Parlament ist man über das Nein der Iren zum Lissabonner Vertrag besonders unglücklich. Das Gremium sollte durch die Reform deutlich aufgewertet werden und Mitspracherecht bei fast allen EU-Entscheidungen erhalten. So plädierte gestern, Dienstag, eine überwältigende Mehrheit der EU-Abgeordneten im Verfassungsausschuss für eine Ratifizierung des Reformvertrags noch vor den nächsten Europawahlen im Juni 2009. Die EU-Bürger würden sonst ihrer "wichtigen neuen demokratischen Rechte beraubt", sagte der zuständige Berichterstatter Jo Leinen von der SPD. Und "es gibt keinen plausiblen Grund, warum eine zweite Abstimmung in Irland leichter nach den Wahlen zu gewinnen ist, als vorher."


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Vertreter von Mitgliedsstaaten und Kommission sind da vorsichtiger. Einen Fahrplan wollen die Iren zwar erst offiziell beim EU-Gipfel im Dezember vorlegen, ein neuer Anlauf vor Herbst 2009 scheint aber ausgeschlossen.

Stimmungs-Schwenk?

Zwar würden laut der jüngsten Umfrage für die "Irish Times" derzeit 43 Prozent für den Lissabonner Vertrag stimmen, wenn Irland seinen Kommissar behalten darf. 39 Prozent wären dagegen, 18 unentschlossen. Für diesen Schwenk machte der irische Außenminister Micheal Martin in einem Interview die Finanzkrise verantwortlich. Der Bankrott Islands habe den Iren vor Augen geführt, dass die EU-Integration wichtig sei. Doch in Brüssel will man den Meinungsumschwung nicht überbewerten. Auch vor dem gescheiterten ersten Anlauf waren fast alle Umfragen positiv. Mehr als 53 Prozent stimmten schließlich dagegen.

Daher möchte außer den EU-Abgeordneten niemand etwas überstürzen. Denn bei einem zweiten Nein der Iren wäre der Lissabonner Vertrag endgültig gestorben. Und in 24 Mitgliedsstaaten ist die Reform für effizientere Entscheidungen in der EU bereits im Parlament abgesegnet, Schweden soll demnächst folgen. In Deutschland und Polen fehlen nur noch die Unterschriften der Präsidenten. In Tschechien wurde die Ratifizierung des Reformvertrags ausgesetzt, der Verfassungsgerichtshof prüft noch die Vereinbarkeit mit dem tschechischen Grundrecht. Nach dem Urteil, das voraussichtlich positiv ausfallen wird, soll spätestens Anfang 2009 die Zustimmung in der Volksvertretung erfolgen. Der tschechische Präsident Vaclav Klaus gilt zwar als engagierter Gegner der weiteren EU-Integration; seine Kompetenzen sind jedoch beschränkt.

Irland stünde dann mit seiner Ablehnung alleine da, der Druck auf die Regierung wäre enorm. Und klar ist auch, dass es keine Neuverhandlungen des Vertrags geben kann. Ansonsten müssten alle anderen 26 Länder neu ratifizieren. Den ständigen Kommissar für die Iren kann es aber geben, wenn sie Ja sagen. Denn laut dem Lissabonner Vertrag könnte die Kommission dauerhaft auf dem Prinzip "Ein Land, ein Kommissar" weiterarbeiten.