Bundespräsident erstmals in baltischer Republik. | Wien. Linz ist Kulturhauptstadt, Vilnius ist Kulturhauptstadt. Ein Gemeinschaftsprojekt - die Ausstellung "Sehnsucht Natur. Europäische Landschaften" - wird am Donnerstag in der litauischen Hauptstadt eröffnet, im Beisein von Österreichs Bundespräsident Heinz Fischer. Der erste Besuch eines österreichischen Staatsoberhauptes in der Republik, die sich 1990 als erstes baltisches Land von der Sowjetunion lossagte, wird allerdings von der Weltwirtschaftskrise überschattet, die Litauen schwer in Mitleidenschaft zieht.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Auch die Veranstaltungen der Europäischen Kulturhauptstadt 2009 sind davon betroffen. Intendantin Elona Bajoriniene trat aus Protest gegen die Budgetkürzungen zurück. Ihr Nachfolger Rolandas Kvietkauskas muss mittlerweile mit rund 7,2 Millionen Euro auskommen, sein Linzer Kollege Martin Heller kann über insgesamt 68 Millionen verfügen. Von den bis zu 300 geplanten Kulturprojekten werden in der litauischen Hauptstadt nur rund 70 übrigbleiben.
Der Rücktritt der Vilnius09-Direktorin ist eine relativ bescheidene Protestmaßnahme im Vergleich zu den Großdemonstrationen und Krawallen im Jänner. Im nördlichen Nachbarland Lettland führten gleichartige Ereignisse schließlich sogar zum Sturz der Regierung. Dort muss der designierte Premier Valdis Dombrovkis nun Verhandlungen über die Bedingungen für die zugesagten Finanzhilfen aufnehmen, die den drohenden Staatsbankrott verhindern sollen. In Lettland droht wie auch in Estland ein zweistelliges Minuswachstum.
Von den drei Ländern, denen in den letzten Jahren wegen ihres rasanten Wirtschaftswachstums der Beiname "die baltischen Tiger" zugestanden wurde, galt Litauen bisher wegen seiner hohen Geldreserven als jenes Land, dass die Wirtschaftskrise relativ unbeschadet überstehen könnte. Aber mit einem prognostizierten Rückgang der Wirtschaftsleistung von fast fünf Prozent und stark steigender Arbeitslosigkeit gilt nun auch der südlichste baltische Staat als möglicher weiterer Kandidat für massive internationale Stützungsmaßnahmen.
So werden die Gespräche, die Heinz Fischer nach seiner Ankunft am Mittwoch abend mit seinem Amtskollegen Valdas Adamkus und Premier Andrius Kubilius führen wird, wohl stark von wirtschaftlichen Problemen dominiert sein. Begleitet wird Fischer von einer Wirtschaftsdelegation, die vor allem den Markt für energiesparende Produkte und Alternativenergie erkunden will. Denn Litauen hat auch ein massives Energieproblem.
Problem Energie
Mit Ende des Jahres muss das Land laut dem Beitrittsvertrag mit der EU den zweiten und letzten Block des Atomkraftwerks Ignalina abschalten, das bisher für rund 75 Prozent der Elektrizität sorgt. Ob und wann das geplante Nachfolge-AKW in Betrieb gehen kann, steht in den Sternen. Unstimmigkeiten mit den potenziellen Partnerländern Estland, Lettland und Polen und die Finanzierung lassen Beobachter glauben, dass ein solches Kraftwerk frühestens 2020 in Betrieb gehen könnte. Das verstärkt die Abhängigkeit vom ungeliebten Nachbarn Russland, der zum Zeichen seiner Macht gern einmal die Gas-Pipeline stilllegt.
Den Russen ist die stark westlich orientierte Außenpolitik Litauens ein Dorn im Auge, die Litauer wiederum vergessen nicht ihren jahrhundertelangen Kampf gegen Russland. Noch 1991 starben 14 Menschen beim Putschversuch pro-russischer Kräfte gegen die junge Republik. Das wirkt bis in die jüngste Zeit nach: Vergangene Woche schien es für kurze Zeit, dass die Wiederaufnahme der Beziehungen von Nato und Russland, die nach dem Georgien-Krieg suspendiert waren, an der Opposition Litauens scheitern könnten.
Porträt Seite 12