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Little Britain’s Abstieg zum Drittland

Von Eva Stanzl

Wissen

Ein Austritt aus der EU kostet Großbritannien Forschungsmilliarden - das schadet vor allem dem wissenschaftlichen Nachwuchs.


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Wien. "Es ist ein schlechter Tag, auch für die Wissenschaft", betonte die ehemalige Präsidentin des Europäischen Forschungsrats (ERC), Helga Nowotny, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" am Tag nach dem Brexit-Votum.

Konkret verlieren britische Universitäten 16 Prozent ihrer Budgets, die sie aus EU-Forschungsrahmenprogrammen beziehen - von 2014 bis heute waren das 1, 4 Milliarden Euro. Hinzu kommen die hochdotierten ERC-Förderungen für exzellente Nachwuchsforscher. Diese fließen direkt in die Universitätsbudgets. Für Unis in Großbritannien wird es diese Gelder nach einem EU-Austritt nicht mehr geben.

"Der Schaden für den gesamten europäischen Nachwuchs ist enorm, auch zumal junge Wissenschafter aus Ländern wie Italien, Spanien und nicht zuletzt Österreich nach England gehen, um an den dortigen Spitzenunis zu forschen", so Nowotny: "Wenn sie keine Grants mehr einwerben können, können sie dort nicht mehr arbeiten." Die EU gibt von 2014 bis 2020 120 Milliarden Euro für Forschungskooperationen aus. Allein 13 Milliarden gehen an den ERC, rechnet das britische Fachmagazin "Nature" vor. Vor der Abstimmung hatten daher 13 Nobelpreisträger in einem offenen Brief vor einem Austritt gewarnt, dieser berge "eine große Gefahr" für die britische Forschung. Es sei naiv, zu glauben, dass wegfallende EU-Mittel aus Steuergeldern ersetzt würden.

In der kommenden Woche muss die Regierung in London einen Antrag zum Austritt stellen. Nach der formalen Mitteilung an EU-Ratspräsident Donald Tusk beginnen im Spiegelverfahren zum Beitritt die Austrittsverhandlungen mit den 27 Mitgliedsländern. "Das heißt, es werden schon ab kommender Woche keine neuen Förderprojekte genehmigt", sagt Paul Rübig, Abgeordneter zum EU-Parlament, der das Forschungsrahmenprogramm Horizon 2020 mitverantwortet.

"Natürlich hat Großbritannien die Möglichkeit, sich wieder an Förderprogrammen zu beteiligen", räumt er ein: "Es müsste aber, so wie die Schweiz, wieder für jedes Programm mitbezahlen. Somit wird für die Briten nichts billiger: Sie müssen einzahlen, aber dürfen bei der Programmgestaltung nicht mitentscheiden." Großbritannien würde dadurch "zum Drittland in der Forschung", betont Helga Nowotny. Oder anders: Little Britain bekommt einen ähnlichen Status in der EU wie die Türkei.

Bleibt Londons Möglichkeit, Gelder aus ehemaligen EU-Budgets umzuleiten. Finanzielle Lücken wären dann zwar gestopft - aber bereits aufgebaute Kooperationspartner und Großprojekte, die die Wirtschaft vorantreiben, weg. "Man darf nicht vergessen, dass England die besten Unis der Welt hat, in der Forschung global ausgerichtet ist und somit immer einen Bildungstourimus haben wird", sagt Forschungsratschef Hannes Androsch. "Aber eine Splendid Isolation wird das trotzdem nicht."