Der Bezirksvorsteher der Donaustadt, Ernst Nevrivy, hält über Facebook alle zwei Wochen eine zusätzliche Sprechstunde ab.
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Wien. "Willkommen Donaustadt, willkommen zum heutigen Live-Talk!" Routiniert spricht Ernst Nevrivy die Begrüßung in die Kamera. Die Krawatte sitzt, der Ton ist gut, das Bild ist scharf - schließlich macht er das nicht zum ersten Mal. Dabei werden eine Viertelstunde lang Fragen beantwortet, die ihn bis zur "Sendung" erreicht haben, in die Kommentarspalte gepostet wurden oder beim letzten Mal unbeantwortet geblieben sind.
Hinter ihm hängt ein Bild der Donaustädter Skyline, daneben ein Schild mit der Aufschrift: "Meine Heimat - Unsere Donaustadt". Es fühlt sich tatsächlich an, als würde man bei Ernst Nevrivy im Büro sitzen.
Ampelregelungen und Parkpickerl
Nach der Begrüßung beginnt der Bezirksvorsteher, die anstehenden Anfragen abzuarbeiten. Los geht es mit einem Kommentar zu einem der letzten Live-Talks. Claudija Krizmanic hat ein Problem mit einer Ampelregelung der Donaufelderstraße. Welches, das schreibt sie allerdings nicht genau. Nevrivy bittet deshalb um nähere Infos, bei der MA33 würde bisher keine Beschwerde vorliegen, sagt er.
Bianca Höger hat ein anderes Anliegen: Im Bereich der Volksschule Hammerfastweg würden sich auf manchen Schulwegen bei Regen unpassierbare Wasserlacken bilden. Der Bezirksvorsteher verspricht, dass sich ein Werkmeister der MA48 bei den nächsten starken Regenfällen das Problem ansehen wird.
"Oft wird dieselbe Frage mehrmals gestellt, dann kann ich sie hier gleich für alle beantworten", erklärt der 49-Jährige, der sich gemeinsam mit seinem Büro im Juni dazu entschlossen hat, neben der wöchentlichen persönlichen eine zusätzliche Sprechstunde über Facebook abzuhalten.
Laut Jörg Matthes, Institutsvorstand für Publizistik und Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien, hat diese Art der Problembehandlung für die Politiker, aber auch für die Bürger große Vorteile: "Die Leute müssen nicht extra in die Bezirksvorstehung fahren, sondern können von zuhause aus ihre Fragen stellen. Und der Bezirksvorsteher kann mit den Menschen schnell und effektiv interagieren. Er beantwortet ihre Anliegen und geht zum nächsten über." Bei einem persönlichen Gespräch könnte dies schnell als unhöflich empfunden werden.
Manchen Themen räumt Nevrivy deutlich mehr Raum ein als diversen Ampelregelungen. "Natürlich nutze ich das Medium auch, um meine Positionen oder die des Bezirks vorzubringen", so der Bezirksvorsteher. Zum Beispiel, als das Dauerbrennerthema Parkpickerl auf den Schirm kommt. Hier nimmt sich der Bezirksvorsteher Zeit, seine Sicht der Dinge ausführlich darzulegen. Schließlich erreicht er bei dieser Gelegenheit eine Menge Leute. Zum Beispiel, was die Bettler an den U-Bahn-Stationen Kaisermühlen und Kagran angeht. Für ihn eine soziale Frage, zu der er sich ebenfalls politisch positioniert: "Natürlich gefällt mir das nicht. Aber es gefällt mir vor allem nicht, dass es in einem so reichen Land Menschen gibt, die auf der Straße leben müssen."
Größere Reichweite mit den Sozialen Medien
Dass Politiker Facebook und andere Soziale Medien für die politische Kommunikation nutzen, ist heutzutage selbstverständlich. "Man kann sich dort sehr persönlich präsentieren und damit bei den Leuten punkten. Authentizität und Ehrlichkeit werden für gewöhnlich mit Vertrauen belohnt", erklärt Institutsvorstand Matthes.
Auch der Donaustädter Bezirksvorsteher gibt sich auf seinem Profil bürgernah. Auf den Fotos zu verschiedenen Veranstaltungen schaufelt er Erde, zapft Bier oder macht Klimmzüge. Kommentare schließt er mit "Liebe Grüße, Ihr Ernst". "Die Kommentare beantworte ich gemeinsam mit meinem Büro, wo die Expertise zu verschiedenen Themen recherchiert wird", erklärt Nevrivy. Einige schreiben "Hallo Ernst" oder "Danke für das Service". Mit Hatespeech oder Trollen hat er selten zu kämpfen. "Kommentare haben wir schon lange keine mehr gelöscht, bei den Live-Talks sowieso nicht. Nur früher haben manchmal Leute meine Seite benutzt, um eine größere Plattform für Ihr eigenes Anliegen zu bekommen."
Trotz der vermeintlichen Informalität sei es unerlässlich, Soziale Medien professionell zu bedienen, sagt Matthes: "Auch Facebook ist ein offizieller Kommunikationskanal." Nevrivy spricht in den Live-Chats großteils im Dialekt, angekündigt werden diese mit einem Foto von ihm aus seinem Garten. Ein Bezirksvorsteher in der Hängematte? "Wie gut das passt, kommt auf den Typ an. Aber wenn das zu einem passt, ist es authentisch und sympathisch."
Ein weiterer Vorteil sei die vergrößerten Reichweite: "Über Social Media erreicht man viele, zu denen man über die klassischen Wege wie Parteiveranstaltungen keinen Zugang mehr hat. Vor allem junge Menschen." Die meisten Facebook-Kommentatoren bei Nevrivys Live-Talk sind allerdings eher mittleren Alters - eine Zielgruppe, für die man die Facebook-Sprechstunde vielleicht gar nicht brauchen würde? Der Kommunikationsexperte verneint: "Grundsätzlich ist die Aktion des Bezirksvorstehers positiv zu bewerten und zukunftsorientiert. Aber in der Tat werden Themen für Jugendliche in Österreich in der Parteipolitik auch auf Social Media immer noch viel zu wenig angesprochen. Eine Idee wäre eine eigene Jugendlichen-Sprechstunde." Oder vielleicht ein Instagram-Account? Nevrivy ist skeptisch: "Da geht es ja nur um Fotos und weniger um politische Inhalte. Twitter habe ich überlegt, wobei das eher für Journalisten ist. Aber vielleicht gibt es ja bald wieder etwas Neues."