Wer finanziert den Ausbau? Welche Flächen werden verwendet? Werden Projekte rasch umgesetzt? Es gibt noch viel Diskussionsbedarf zum geplanten Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz.
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Jahrelang hat die Energiewirtschaft auf das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz gewartet. Nun muss alles schnell gehen. Sechs Wochen bleiben zur Begutachtung, bevor das Gesetz am 1. Jänner 2021 bereits in Kraft treten soll. Die ersten Reaktionen auf das Gesetz waren überwiegend positiv. Doch es gibt auch Kritik daran.
Sowohl Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung, als auch ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian fordern, dass ihre jeweilige Klientel – bei Knill die stromintensiven Betriebe, bei Katzian die Privathaushalte – nicht zu stark belastet werden. Deshalb bringen beide Interessensvertreter eine Deckelung der Förderkosten für die Subventionierung des Ökostroms ins Spiel.
Knill wünscht sich Planbarkeit sowohl für die Unternehmen, die in Erneuerbare investieren wollen, als auch für stromintensive Betriebe. "Es braucht eine Balance zwischen klima- und wirtschaftspolitischem Erfolg", sagt Knill beim Trendforum Österreichs Energie am Mittwochabend in Wien.
Zehn Milliarden für Energiewende
ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian ist wichtig, dass die Kosten für den Ausbau für alle Teilnehmer am Energiemarkt gleich verteilt werden. "Die privaten Haushalte sind besonders belastet, es muss eine Balance geben", sagt der ÖGB-Chef. Er kann sich deshalb eine Begrenzung der Förderkosten für die Haushalte vorstellen.
Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) entgegnete, dass der Mechanismus der Förderung von Ökostrom gleich bleibt. "Wir gehen davon aus, dass wir uns nicht wesentlich von 120 Euro im Jahr entfernen." Der Betrag bezieht sich auf das Jahr 2016. Derzeit liegen die Kosten für private Haushalte bei etwa 90 Euro im Jahr.
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Der Weg zur Energiewende ist klar. Bis 2030 will sich Österreich zu 100 Prozent mit sauberem Strom versorgen. Dafür müssen 27 TWh aus erneuerbarer Energie zugebaut werden: Hunderte Windräder, Zehntausende PV-Anlagen, etliche Wasserkraftwerke und Biomasse-Anlagen. Das muss alles finanziert und rasch umgesetzt werden.
Die Regierung plant, in den kommenden zehn Jahren insgesamt zehn Milliarden Euro dafür in die Hand zu nehmen. Laut Gewessler werden damit bis zu 30 Milliarden Euro an Investitionen ausgelöst. "Es gibt eine sehr hohe lokale Wertschöpfung. 70 Prozent bei Photovoltaik fallen lokal an", sagt Gewessler. Dies sei ein wichtiger Impuls für den Standort. Durch die Energiewende würden insgesamt zehn Millionen Tonnen CO2 eingespart werden.
Sorge um Netzreserve
Für Michael Strugl, Präsident von Österreichs Energie, geht das EAG in die richtige Richtung. Er sei grundsätzlich zufrieden, fordert aber Investitionssicherheit. Wirkliche Sorgen bereitet ihm die Netzreserve. "Wir müssen alles tun, um die Versorgungssicherheit aufrecht zu erhalten", mahnt Strugl.
Außerdem sieht Strugl die geplanten Energiegemeinschaften kritisch. Sie sollten seiner Meinung nach auf die lokale Ebene begrenzt werden. "Die Systeme sind sehr komplex. Ich erwarte mir dann auch Verantwortung für Ausgleichsenergie", sagt er. Ihm sei das umso wichtiger, je mehr volatiler Strom aus Erneuerbaren ins Netz eingespeist wird.
Gewessler versuchte zu beruhigen. Die Energiegemeinschaften würden helfen, Akzeptanz in der Bevölkerung für die Energiewende zu schaffen. "Jeder kann Teil des Großprojekts werden", sagt die Umweltministerin. Sie sieht außerdem neue Geschäftsmodelle im Energiebereich.
Streitpunkt Flächenverbrauch
Wie sich die Energiewende auf das Landschaftsbild auswirkt und welche Flächen zur Verfügung stehen, sorgte für einigen Gesprächsstoff. Strugl etwa hat wenig Verständnis für die Abschläge von 30 Prozent bei PV-Flächenanlagen. "Das scheint unserer Meinung nach sehr viel zu sein. Gerade die Flächenanlagen helfen, das Ziel bis 2030 zu erreichen", sagt er. Zum Hintergrund: Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass der Fokus bei Photovoltaik vor allem auf Gebäude, Deponien, also bereits versiegelten Flächen, gelegt wird, um so den Flächenverbrauch einzudämmen.
"Wir werden in die Freifläche gehen müssen", ist Strugl überzeugt. Man müsse dabei gar nicht Flächen neu versiegeln. Er nennt die Landwirtschaft als Beispiel, wo etwa PV-Anlagen zur Beschattung eingesetzt werden. Außerdem brauche es da eine Menge Überzeugungsarbeit. Bei der Raumordnung liegt die Kompetenz bei den Länderbehörden.
IV-Präsident Knill fordert deshalb, dass die Genehmigungen für die Projekte rasch erledigt werden. "Der Zeitraum bis 2030 ist extrem kurz. UVP (Umweltverträglichkeitsprüfung)-Verfahren dauern oft Jahre." Bürokratische Hindernisse müssen aus dem Weg geräumt werden.
Gewessler kann die Sorge teilen. Sie hob die Vereinfachung der Abwicklung hervor. "Es gibt jetzt nur noch eine Abwicklungsstelle, da steckt viel Erleichterung darin." Sie lege Wert auf ökologische Kriterien in den UVP-Verfahren. Den Flächenverbrauch will sie aber nicht weiter anheizen. "Was wir brauchen ist Akzeptanz in der Bevölkerung", sagte die Umweltministerin. Zu Windkraft gebe es etwa hohe Zustimmung, wenn sie einmal da ist.
Im Zuge des Erneuerbaren-Ausbaus muss auch der Ausbau der Stromnetze mitgedacht werden, forderte Österreichs Energie-Präsident Michael Strugl. "Wenn wir eine dezentrale Erzeugung haben, müssen wir die Infrastruktur dafür bauen." Wolfgang Katzian stimmt in denselben Chor ein: "Ohne Netzausbau wird es ein Bauchfleck", so der ÖGB-Chef.
Q & A zum Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz