Nun wird es auch im IEA-Bericht bestätigt: Österreich zählt zu den Schnellen bei der EU-Energiemarktliberalisierung. Doch über die im Herbst 2001 von Wirtschaftsminister Martin Bartenstein in Aussicht gestellten niedrigeren Preise freuen sich in erster Linie die Großabnehmer.
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Die Öffnung des Strommarktes habe Großverbrauchern niedrigere Tarife, Haushalten aber wenig gebracht, heißt es im Österreich-Bericht 2003 der International Energy Agency (IEA) der OECD. Eine Senkung der Durchleitungstarife könnte sich sowohl auf Große wie auf Kleine positiv auswirken. Denn, so meinte IEA-Direktor Claude Mandil gestern im Rahmen einer Pressekonferenz. Die Tarife lägen 60 bis 70% über dem europäischen Durschnitt, und das sei "enorm". "Absolut unbefriedigend" beurteilt Wirtschaftsminister Bartenstein die österreichische Stromentgeltlage im europäischen Vergleich: "Wir haben den dritthöchsten Wert bei Großabnehmern und den höchsten bei Haushalten." Das Absenkungspotential sei bei Haushalten größer als bei Industriekunden. Einmal mehr sprach sich Bartenstein für die Gründung einer gemeinsamen Netzgesellschaft aus, deren Mehrheit in öffentlicher Hand bleiben soll. Insgesamt betragen die Umsätze bei den Netztarifen 2,5 Mrd. Euro.
"In manchen Fällen sind die hohen Preise gerechtfertigt, aber im Allgemeinen behindern sie den Wettbewerb", relativerte Mandil. Der IEA-Direktor hält einen freien Zugang des Marktes für "notwendig", da für die Konsumenten neue Mitbewerber wichtig seien.
Kyoto: "Herausforderung"
Doch nicht nur bei den Strompreisen empfiehlt die IEA Österreich Tatendrang. Auch die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls bedeute, dass "noch einiges an Arbeit" zu tun sei, sagte Mandil und sprach von einer "ernsthaften Herausforderung". Im Rahmen des Kyoto-Protokolls haben sich die Mitgliedsstaaten der EU verpflichtet, ihre Treibhausgase um 8% zu verringern. Das sogenannte "burden sharing agreement" teilt die Reduktionen der Emissionen unter den EU-Ländern auf. In Folge wurde das Reduktionsziel Österreichs mit 13% bis 2008 gegenüber 1990 festgelegt. Aber anstatt sich laufend zu verringern haben sich die Emissionswerte stetig erhöht. "Sehr traurig" kommentiert die stellvertretende Bundesobfrau der Grünen, Eva Glawischnig, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" Österreichs Fortschritte bezüglich des Kyoto-Protokolls. "Wir entfernen uns immer mehr vom Ziel." Zwar gebe es eine "passable Klimastrategie der Regierung", doch fehlten finanzielle Mittel, diese zu realisieren. Für Bartenstein liegt die Problematik anderswo: "Bleibt die Klimaschutzidee eine europäische Angelegenheit, dann wird´s schwierig. Inklusive Rußland und den USA kann das eine win-win-Situation werden, aber wenn ein Teil der Welt Energiepreisdumping betreibt, ist das schwierig." Anders sehen das die Grünen: Auch wenn die USA und Rußland das Protokoll nicht ratifiziert haben, dürfe sich die EU nicht davon abhalten lassen, eine "Vorreiterrolle" zu übernehmen.
"Auf der sicheren Seite"
Lob gab es vom IEA-Direktor für die Loslösung Österreichs von Russland als Erdgaslieferanten: Indem Österreich weniger stark auf russische Importe angewiesen sei und auch beispielsweise von Norwegen und Deutschland Erdgas beziehe, sei eine höhere Versorgungssicherheit gewährleistet. Von einem der "dicksten Sicherheitspolster in Europa" sprach Bartenstein. Eine gesicherte Leistung von 3.700 Megawatt Strom bedeute eine Leistungsüberkapazität von rund 35%. "Wir können mit Fug und Recht sagen: Wir liegen auf der sicheren Seite."