Nach der Rede Gusenbauers verließen, wie das an Parteitagen so üblich ist, die Delegierten den Saal, um die Debattenbeiträge in entspannterer Atmosphäre im Foyer über die Bildschirme zu verfolgen. Die "Wiener Zeitung" nutzte die Gelegenheit, um | einige Prominente der "alten Garde" zu befragen.
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"Er ist der Richtige", meinte etwa die frühere Kunst- und Unterrichtsministerin Hilde Hawlicek. Ihr gefällt vor allem, dass Gusenbauer "einer der wenigen Politiker ist, die sich für Kultur interessieren". Er tue nicht nur so, sondern kenne sich wirklich aus - "und er liest sehr viel". Froh ist Hawlicek auch darüber, dass der Vorsitzende einen Schwerpunkt auf die Bildung legt. Das sei wirklich wichtig.
Der frühere Innenminister und nunmehrige Präsident des Pensionistenverbandes Karl Blecha war von Gusenbauers Rede ebenso "angetan". Diese sei "kämpferisch und sehr angriffig" gewesen, insgesamt für ihn "eine runde Vorstellung".
Auch das Aushängeschild der SPÖ, die frühere Frauenministerin Johanna Dohnal, die zu Beginn des Parteitages mit dem größten Applaus von den Delegierten bedacht worden war, schließt sich dem Lob an: "Er ist ein Vorsitzender der sagt, worum es geht. Die ÖVP will die Sozialdemokratie ausradieren, Gusenbauer hat klar gemacht: Mit uns nicht."
Ganz anderer Meinung ist da ihre frühere Bundesfrauensekretärin Irmtraut Karlsson: "Dieser Vorsitzende sollte sich an seinem Namensvetter orientieren", verwies sie auf Altkanzler Fred Sinowatz. Dieser sei in der Partei sehr beliebt gewesen und sei dies bis heute, wie auch der Begrüßungsapplaus für ihn gezeigt habe. Sinowatz habe gesehen, dass er in der Öffentlichkeit nicht so wirke wie innerhalb der SPÖ und habe die Führung an Franz Vranitzky übergeben. Gusenbauer sollte sich laut Karlsson vor den Spiegel stellen und sich ehrlich fragen: "Bin ich der nächste Kanzlerkandidat?"
Dieses Bild rückt einer aus Gusenbauers Team zurecht. Christoph Matznetter, federführend am neuen Wirtschaftsprogramm beteiligt, repliziert auf die Wahlkampfauseinandersetzung 1970, als Josef Klaus als "echter Österreicher" gegen den Juden Bruno Kreisky angetreten war. Eine mangelhafte Vertretung nach außen sei schon ganz anderen Kalibern nachgesagt worden. Gusenbauers Vorbild sei schließlich Kreisky.