Ministerin Gewessler will Wiener Projekt offenbar Absage erteilen. Rechtlich gesehen hätte Gewessler gute Karten.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 3 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Das Lobautunnel-Projekt soll nach Jahren des Streits begraben werden. Das sickerte im Vorfeld eines Pressegesprächs der grünen Klimaschutzministerin Leonore Gewessler am Dienstagabend durch. Wie die "Wiener Zeitung" aus verlässlicher Quelle erfuhr, wird es für das Verkehrsprojekt kein grünes Licht geben. Eine Evaluierung des Baus in dem Naturschutzgebiet kam zu einem negativen Ergebnis. Die Meldung sorgte bei allen anderen Parteien für Rat- und Verständnislosigkeit. Offenbar waren weder der Wiener Bürgermeister, Michael Ludwig, noch der türkise Koalitionspartner im Vorfeld über diese Entscheidung informiert worden. Das Ministerium hat die Informationen vorerst weder dementiert noch bestätigt.
Im Wiener Rathaus wollte man das Thema vor Gewesslers offizieller Erklärung nicht kommentieren. Doch dass es unter der zurückhaltenden Oberfläche brodelte, war offensichtlich. Hier hörte man Kommentare über eine interessante Auffassung von Transparenz der grünen Ministerin, dort hat Bürgermeister Ludwig schon früher erklärt, dass er rechtliche Schritte in die Wege leiten werde, falls die Umfahrung nicht gebaut wird. Die Drohung mit "Milliardenklagen" geisterte durch die Gänge des Rathauses.
Wiener ÖVP schäumt
Weniger zurückhaltend war man bei der ÖVP, deren Wiener Landesparteiobmann gleichzeitig auch als Finanzminister mit Gewessler in der Regierung sitzt. Sie warf der Ministerin indirekt Klientelpolitik und Interessenskonflikt vor. "Der Lobautunnel ist das meist- und bestgeprüfte Straßenprojekt Österreichs. Es hängen Existenzen, Arbeitsplätze und Hoffnungen an diesem Projekt, die durch Grüne-Fantasien, sowie die Selbstverwirklichung einer ehemaligen Global-2000-Aktivistin, die heute Ministerin ist, zerstört werden", so der Klubobmann der Wiener ÖVP, Markus Wölbitsch. Noch 2006 habe Gewessler acht Wochen lang das Gebiet besetzt, um Probebohrungen durch die Asfinag zu verhindern. Der Lobautunnel bringe jedoch eine generelle Verkehrsberuhigung und somit auch Umweltentlastung. "Die aktuelle Situation verursacht Staukosten von rund 500 Millionen Euro jährlich. Das ist untragbar. Vor allem für eine Partei die sich als ,grün‘ bezeichnet", erklärte Wölbitsch.
Auch die FPÖ kritisierte das mögliche Ende des geplanten Baus. "Die kolportierte Rumpfvariante ohne Lobautunnel und Lückenschluss zwischen Groß-Enzersdorf und Schwechat würde die tägliche Stauhölle für 200.000 Menschen im 22. Bezirk auf viele Jahre festschreiben, aber durch die fehlende Entlastung für A22 und A23 auch massive Schäden für die Wirtschaft nach sich ziehen", warnte Verkehrssprecher Toni Mahdalik.
Greenpeace, WWF und Global 2000 begrüßten hingegen die Pläne. "Eine Absage des Lobautunnels wäre die einzig richtige Entscheidung. Das Megaprojekt Lobau-Autobahn gefährdet einen unersetzlichen Lebensraum, schädigt das Klima und droht eine Verkehrslawine auszulösen. Die Zeit solcher fossiler Monsterprojekte ist endgültig abgelaufen", so Klara Maria Schenk, Klima- und Verkehrsexpertin bei Greenpeace in Österreich.
Nicht weit genug geht Gewessler interessanterweise der Sozialistischen Jugend, während sich die Mutterpartei im Rathaus seit Jahren für Lückenschluss und Lobautunnel starkmacht. "Ein Baustopp alleine ist viel zu wenig. Es braucht jetzt klare, klimafreundliche Alternativen, um die Verkehrsprobleme in der Donaustadt zu lösen", so die Vorsitzende der Sozialistischen Jugend Wien, Rihab Toumi.
Rechtlich gesehen hätte Gewessler gute Karten. Der Bau von Autobahnen und Schnellstraßen fällt unter das Bundesstraßengesetz und somit in die Kompetenz des Bundes, erklärt Verfassungs- und Verwaltungsjurist Peter Bußjäger. "Da gibt es für Wien nicht viel zu machen." Allerdings sei der Bau des Lückenschlusses von Schwechat zu den Knotenpunkten Raasdorf und Süßenbrunn der ausdrückliche Wunsch des Gesetzgebers. Der Bau ist im Verzeichnis 2 Bundesstraßen S (Bundesschnellstraßen) im Bundesstraßengesetz verankert.
"Wenn eine Ministerin sagt, wir bauen sie nicht, dann ist das nicht unproblematisch", erklärt Bußjäger. Was Gewessler machen könnte, wäre eine andere Streckenführung - ohne den Lobautunnel - zu veranlassen. Sollte sie allerdings das ganze Projekt zu Fall bringen wollen "müsste sie, wenn sie es ernst nimmt, das Bundesstraßenverzeichnis ändern", so Bußjäger. Das wiederum müsste vom Parlament abgesegnet werden. Ob dies mit dem türkisen Koalitionspartner mehrheitsfähig wäre, ist fraglich.
Straßenbaubegräbnis
Jedenfalls ist Gewessler derzeit in Sachen Straßenbaubegräbnis groß in Fahrt. Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass sie den Ausbau der A9 südlich von Graz stoppen lässt. Auch die an die S1 angeschlossene S8, die sogenannte Marchfeld-Schnellstraße, erhielt keine Genehmigung. Ebenso im Visier der Ministerin: die umstrittene S34, die Traisentalschnellstraße von St. Pölten nach Wilhelmsburg.