Umstrittenes EU-Ethik-Komitee. | Brüssel. Der ehemalige EU-Kommissar Günter Verheugen hat das Thema losgetreten, als er seine Lobbying-Agentur zu spät in Brüssel meldete. Jetzt gerät auch das dreiköpfige Ethik-Komitee der Kommission unter Beschuss, das die neuen Jobs der früheren Kommissare bisher immer bewilligt hat. Denn der Komitee-Vorsitzende Michel Petite war wegen seinem fliegenden Wechsel von der Spitze des juristischen Dienstes der EU-Kommission zu der weltweit tätigen Anwaltsfirma Clifford Chance selbst in die Kritik geraten.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
"Sein Umstieg wurde ohne ordentliche Prüfung auf Interessenskonflikte genehmigt", sagt Olivier Hoedeman von der Transparenz-NGO CEO. Petite sei daher sicher nicht der Richtige, um die Bewilligungsverfahren zu leiten. Clifford Chance biete Lobbying-Tätigkeiten an und übe sich in völliger Verschwiegenheit über ihre Kunden. Und Komitee-Mitglied Terry Wynn von der britischen Labour-Party betätigte sich schon als EU-Abgeordneter laut Eigenangabe als "starker Verfechter der Atomkraft". Unumstritten scheint lediglich der dritte Ethik-Rat, der ehemalige EU-Richter Rafael Garcia-Valdecasas y Fernandez.
Als Präzedenzfall gilt die frühere Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner, die ihren Aufsichtsratsjob in der Münchner Rückversicherung als Erste aus der letzten Kommission genehmigt bekam. Dagegen hat CEO wegen möglicher Interessenskonflikte Beschwerde beim EU-Ombudsmann eingelegt. Inzwischen haben auch ihre Ex-Kollegin für Verbraucherschutz, Meglena Kuneva, Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy, Fischereikommissar Joe Borg, Entwicklungshilfekommissar Louis Michel und eben Verheugen lukrative Posten in der Privatwirtschaft.
Für die EU-Kommission stehe die Zusammensetzung des Ethik-Komitees aber nicht zur Diskussion, erklärte Kommissionssprecher Olivier Bailly. Eingesetzt habe es die Kommission und ihr Präsident selbst. Petite verfüge über erstklassige rechtliche Expertise. Wynn sei als ehemaliger Vorsitzender des Haushaltskontrollausschusses im EU-Parlament ein "Garant für die moralische Autorität" des Ethik-Komitees.