Mit den Sparvorhaben der Krankenkassen soll es ernst werden. Und mit "bedarfsorientierten Kassenverträgen" hört man wirklich Neues(?)!
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Wenn ein Arzt etwas von einer Spitalsabteilung will, dann ist es Etikette, diese auf dem Überweisungsschein mit "löbliche Abteilung" anzusprechen. Was man dann will, das ist oft kryptisch. Allzu oft steht nach formvollendeter Anrede nur: "fachärztliche Abklärung erbeten". Welches Fach gemeint ist, oder welches Problem abgeklärt werden soll, das kann sich der Spitalsarzt aus den Fingern saugen. In der Regel wird nicht mitgeteilt, welche Untersuchungen bereits durchgeführt wurden und zu welchem Ergebnis sie geführt haben und nur selten wird eine konkrete Frage gestellt.
Diese Seltsamkeit - auch bekannt als Schnittstellenproblem - hat zwei Ursachen: Erstens gibt es keinen einheitlichen Katalog für ambulante Leistungen (es gibt 14 Kassen-Honorarkataloge und in den Spitalsambulanzen gar nichts) und zweitens fehlt jegliche Abstimmung zwischen Kassenbereich und Ambulanzen. Damit fehlt eine gemeinsame Grundlage, ja selbst eine gemeinsame Sprache ist unmöglich.
Ich habe mir einmal den Spaß erlaubt, die Anzahl der Patientenkontakte bei Kassenärzten mit der der Ambulanzbesuche und stationären Aufnahmen zu vergleichen. Definitiv in Verbindung stehen Ambulanzbesuche und stationäre Aufnahmen. Das heißt, dort, wo Patienten oft in eine Ambulanz gehen, dort werden diese auch oft aufgenommen - ein Effekt des Finanzierungssystems, das ambulante Leistungen schlecht und stationäre gut bezahlt. Überhaupt keine Übereinstimmung findet man aber zwischen Kassenarztkontakten und Ambulanzbesuchen. Anders ausgedrückt, die beiden Welten "Kassensystem" und "Spitalssystem" haben statistisch betrachtet nichts mehr miteinander zu tun.
Welche Auswirkung dieses seit 1995 (damals haben sich die Kassen aus den Ambulanzen zurückgezogen und sich selbst überlassen) bestehende Nebeneinander hat, lässt sich in Zahlen ausdrücken. Die Zahl der Ambulanzpatienten ist von 4,5 auf 7,5 Millionen gestiegen. Die Kosten haben sich verdoppelt und liegen bei 1,4 Milliarden Euro. Die stationären Patienten sind von knapp zwei auf über drei Millionen gestiegen. Auch wenn gerne das Gegenteil behauptet wird, es gab - verstärkt durch das Kassenhonorarsystem - eine massive Verlagerung in die Spitäler, die ein Vielfaches einer wohnortnahen Behandlung durch niedergelassene Ärzte kosten - aber diese Kosten gehören eben jemand anderen: den Steuerzahlern (vertreten durch Landesfürsten).
Wenn also künftig Kassenverträge nicht automatisch nachbesetzt werden sondern nur nach Bedarf, sofern Leistungen nicht auch von Spitälern oder Ambulanzen erbracht werden können, dann bin ich gespannt, wie dieser Bedarf bei fehlenden Leistungskatalogen und -abgrenzungen (Wer soll was wann wo machen) ermittelt werden soll.
Denken wir praktisch. Reicht die Nähe eines Spitals aus, dass es keinen niedergelassenen Arzt mehr geben muss? Wird so jede Stadt mit Spital frei von Kassenärzten? Wenn noch mehr in Spitäler verlagert wird, was wird uns Steuerzahler dann die Einsparung der Kassen kosten?
Sehen wir es positiv. Der Ansatz der am Patientenbedarf orientierten Planung ist goldrichtig (aber nicht neu - denn schon seit 1958 Gesetz!). Politiker haben zwar hierzulande keine Ahnung, wie man so etwas macht, und noch nicht einmal geeignete Daten, um so etwas abzuschätzen, aber so nach 50 bis 100 Jahren werden sie schon draufkommen, wie es geht - mittels "try and error", dem wohl gängigsten und teuersten Steuerungsinstrument des hiesigen Gesundheitssystems.