Ein neues Buch verspricht einen ungefilterten Blick hinter die Kulissen des Weißen Hauses. Donald Trump reagiert aggressiv.
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Washington D.C. Bloß keine Aufregung, hier gibt es nichts zu sehen, bitte gehen Sie weiter: "Es wird niemals etwas geben, dass zwischen uns und Präsident Trump und seiner Agenda steht. Es gibt niemanden, von dem wir eine höhere Meinung hätten als von ihm, also lassen wir uns nicht von den linken Medien erschüttern." Am Morgen nach dem großen Knall gab sich Stephen K. Bannon, der Chef der rechtspopulistischen Nachrichtenwebsite Breitbart, auf dem hauseigenen Internetradiosender handzahm.
Die Tatsache, dass ihm der amtierende US-Präsident Donald Trump, für den er bis vor kurzem noch als Chefstratege tätig war, tags zuvor wörtlich attestiert hatte, "gleichzeitig mit seinem Job im Weißen Haus den Verstand verloren zu haben", schien vergessen. Aus Sicht Bannons offenbar alles halb so schlimm. Wie der Stein des Anstoßes: Zitate, in denen er das Treffen Paul Manaforts - seines Vorgängers als Trumps Wahlkampfmanager -, Donald Juniors und von dessen Schwager Jared Kushners mit Verbindungsleuten des Kreml im Trump Tower Mitte 2016 "verräterisch" und "unpatriotisch" nennt.
Ein Buch, ein Renner
So steht das alles und noch mehr in "Fire and Fury", einem kommende Woche im Verlag Henry Holt and Co. erscheinenden Buch, das sofort nach Veröffentlichung von Exzerpten auf Nummer eins der Bestseller-Listen schoss. Geschrieben hat das 328 Seiten umfassende Werk der New Yorker Journalist Michael Wolff. Der 64-Jährige, zweimaliger Gewinner der renommierten National Magazine Awards, ist unter anderem für das "New York Magazine", "Vanity Fair" sowie die Tageszeitungen "USA Today" und den britischen "Guardian" tätig.
Als Aufdecker war Wolff bisher nicht eben bekannt; eher als eine Mischung aus Kolumnist und Klatschreporter, der in den sozialen Medien von jeher mehr durch Eigenpromotion auffiel als durch die Relevanz seiner Geschichten.
Was nichts daran ändert, dass er sich rund 18 Monate lang, vom Höhepunkt des Wahlkampfs bis zum Oktober 2017, mit der ausdrücklichen Erlaubnis Trumps quasi frei in dessen Kreisen bewegen durfte. Wolff: "Ich hatte fast so etwas wie einen ständigen Platz auf einer Couch im Weißen Haus." Nach Eigenauskunft hatte der Journalist Zugang zu über 200 Quellen, die Trump nahestehen: Die Bandbreite reicht von seinen alten New Yorker Milliardärsfreunden, bei denen er sich laut Wolff bis heute "regelmäßig ausweint", über enge Berater wie Kellyanne Conway bis hin zum Umfeld des Medienmoguls Rupert Murdoch.
Als Melania weinte
Das Bild des US-Präsidenten, das er dementsprechend in "Fire and Fury" zeichnet, ist nicht eben überraschend, aber aufgrund einer Handvoll bunter Details doch erhellend. (Der martialische Titel hat konkret nichts mit dem Inhalt des Werks zu tun: Er erschien dem Autor aber passend, nachdem Trump dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un mit diesen Worten mit dem atomaren Erstschlag gedroht hatte.)
So beschreibt Wolff etwa den typischen Trump-Fernsehabend: Allein im Bett liegend, einen Cheeseburger in der einen Hand, in der anderen das Smartphone - während drei Fernseher laufen, in denen er die laufende Berichterstattung über sich selber verfolgt. Oder die Überraschung, als klar wurde, dass er die Wahl gewinnen würde: Seine Ehefrau Melania - mit der er seit langem nicht mehr das Bett teilen soll - soll geweint haben, während seine Tochter Ivanka darüber spekulierte, bald selber die erste weibliche Präsidentin der USA zu werden, nachdem Hillary Clinton ihrem Vater unterlegen war.
Bis zum letzten Moment soll praktisch kein Mensch in Trumps eigener Mannschaft an seine Wahl geglaubt haben und war entsprechend perplex, als das Ergebnis feststand - am allermeisten Trump selber.
Dessen einzige Motivation, sich um das höchste Amt im Staat zu bewerben, soll darin bestanden haben, "der berühmteste Mann der Welt zu werden". (Ein Floh, den ihm maßgeblich Roger Ailes ins Ohr gesetzt hatte. Der jüngst verstorbene Gründer des rechtsextremen Nachrichtenkanals Fox News, der aufgrund diverser Sex-Skandale von Rupert Murdoch und seinen Söhnen zurückgetreten worden war, hatte ihn überzeugt, dass ein Antreten bei den republikanischen Vorwahlen "gut fürs Geschäft" sei.)
Justiz-Behinderung
Gossip und/oder haarsträubende Realitäten, gewiss - aber rechtlich wirklich eng für Trump wird es erst bei Wolffs Beschreibung einer Besprechung Trumps mit Kushner und Ivanka an Bord der Air Force One, in deren Rahmen der Präsident eine Sprachregelung ausgibt, was beim Treffen der Abgesandten des Kremls im Trump Tower wirklich passiert sein soll. Der Vorwurf lautet auf nicht weniger als Behinderung der Justiz und ließe, so sich das Ganze als wahr heraus stellt, Sonderermittler Robert Mueller de facto keine andere Wahl, als den amtierenden Präsidenten anzuklagen.
Nachdem Mittwoch die ersten "Fire and Fury"-Zitate zirkulierten, schaltete Trump indes auf Angriff. Seine Anwälte ließ der 70-Jährige Briefe verfassen, in denen Stephen Bannon aufgefordert wird, künftig aufzupassen, was er sage, weil er angeblich einer Geheimhaltungsverpflichtung unterliege, der er selbst mit seiner Unterschrift Rechtskraft gegeben habe. (In Trumps angestammten Metier als Immobilienentwickler- und -manager bildeten derlei Knebelverträge einen wesentlichen Teil des Geschäftsmodells. Inwieweit diese auch fürs Präsidentenamt und für ehemalige und aktuelle Bundesbedienstete greifen, ist noch nicht hinlänglich ausjudiziert.)
Was auf Wolff und den Verlag rechtlich zukommt, war noch nicht abzusehen. Am Donnerstag forderten Trumps Anwälte jedenfalls Autor Wolff und dessen Verleger auf, das Erscheinen des Buches zu stoppen.