Rechtliche Gedanken zu einem Alternativkonzept.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 2 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Mit der 5.Covid-Schutzmaßnahmenverordnung in der Form des BGBl II 2021/467 hat der Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein ein Verordnungswerk vorgelegt, dessen zentraler Inhalt eine Art Teil-Lockdown (Ausgangsregelung, § 2) für Ungeimpfte ist. In § 2 werden für Ungeimpfte bestimmte Gründe taxativ aufgezählt, aus denen der eigene private Wohnbereich von 0 bis 24 Uhr verlassen werden darf; ausgenommen davon sind Kinder bis 11 Jahre und solche, die der allgemeinen Schulpflicht unterliegen und einen voll beklebten Schulpass ("Ninja-Pass") vorweisen können, sowie Schwangere (die statt dessen PCR-testen müssen).
Inzwischen grätscht, beginnend mit 22. November, für mindestens drei Wochen (bis 12. Dezember) der vierte Lockdown dazwischen, danach soll allerdings zum vorherigen Modell zurückgekehrt werden. Gelegenheit, sich damit in Ruhe auseinanderzusetzen.
Die angeführten Ausgehgründe für Ungeimpfte respektive Personen, die den 2G-Nachweis (vollständige Impfungen oder Genesungsnachweis/ärztliche Bestätigung oder behördlicher Absonderungsbescheid) nicht erbringen können, sind aus vergangenen generellen Lockdowns bekannt. Sie beinhalten allerdings dieselben Unklarheiten, Unzulänglichkeiten und Lücken.
Zutritts- statt Ausgangsbeschränkungen
Man fragt sich: Könnte man das aus epidemiologischer Sicht zweifellos notwendige Konzept nicht andersherum aufzäumen? Immerhin wird dadurch ja die vielbeschworene Spaltung der Gesellschaft an der "Quelle" (nämlich der privaten Wohnung beziehungsweise ihrer Ausgangstür) realisiert, was es laut einhellig vertretener Meinung immer als zu vermeiden galt? Ja, nämlich statt an der "Quelle" am "Ziel", also dort, wohin der Ungeimpfte sich begeben möchte.
Also: Keine Ausgangsbeschränkung, aber durchgehende Zutrittsbeschränkungen zu allen nicht lebenswichtigen Bereichen.
Knackpunkt sind die zahlreichen erlaubten Ausgehtatbestände des § 5 Abs. 2, das sind satte 21 Fälle, vom Lebensmittelhandel bis hin zur Fahrradreparaturwerkstätte. Hier können sich Ungeimpfte nach dem geltenden Modell auch ohne Testung frei bewegen (und ungehindert andere anstecken). Das ist eine riesige Lücke. Hier wäre eine niederschwellige, auch kostenpflichtige Testpflicht vor Zutritt vorzusehen, unter Umständen unter Reaktivierung der Ad-hoc-Antigen-Selbsttests unter Aufsicht (des Betreibers). Geltung auch für "Click and Collect" bei Abholung vorbestellter Waren und bei Abholung im Gastronomiebetrieb. Ausnahme davon nur bei medizinischen Notfällen. Auch, wenn diese weit nicht so genau sind wie die PCR-Tests, es wäre gesundheitsrechtlich ein bedeutender Fortschritt.
2,5G in den Massenbeförderungsmitteln
Die Maßnahme würde anfangs für Erregung sorgen, sich dann aber einspielen und epidemiologisch Wunder bewirken. Der Handel würde lautstark lamentieren - nur, im Sinne einer gemeinsamen Kraftanstrengung zur Bewältigung einer solchen Pandemie ist das zumut- und machbar, schließlich benötigen auch die Unternehmer gesunde Mitarbeiter. Und: man möge bedenken, welchen Aufwand die Veranstalter bereits auf sich genommen haben, um sichere Events zu gewährleisten.
Der Vorschlag wäre also konkret, dass jeder uneingeschränkt hinaus darf, aber mit folgenden Kautelen:
2,5G in den Massenbeförderungsmitteln (§ 3) und Taxis/Mietwägen.
Wahrscheinlich heißester Punkt: Der 2G-Nachweis im nicht sensiblen Handel et cetera muss endlich kontrolliert werden, sonst ist das nur "Larifari" - und zwar durch die Inhaber der Betriebsstätten. Anders macht es keinen Sinn.
Die Regelung für die Beherbergungsbetriebe, dass ein Aufenthalt mit 3G-Nachweis möglich ist, wenn ein unaufschiebbarer beruflicher Grund geltend gemacht wird, gehört ergänzt durch eine diesbezügliche Nachweispflicht. Im Zweifelsfall hätte der Beherberger die Gesundheitsbehörde zu informieren: Das würde Wunder wirken.
Im Bereich der Zusammenkünfte (§ 13) inklusive Kulturbetriebe 2Gplus (also geimpft und getestet) nach Wiener Vorbild.
Sofortige Streichung des Modells Erstimpfung plus PCR-Test als 2G beziehungsweise zeitenge Befristung als "Anlaufhilfe".
Wo also darf sich der Ungeimpfte dann völlig frei bewegen? Im öffentlichen Bereich, beim Spazierengehen, Radfahren und Wandern etwa, wenn auch - das wäre wünschenswert - mit zwei Meter Mindestabstand zu Fremden. Auch der Fahrt ins Wochenendhaus steht nichts im Weg.
Selbst wenn alle diese Maßnahmen mit Zusatzaufwand verbunden wären, sind sie mach- und zumutbar. Menschenleben kommen in jedem Fall teurer, emotional wie ökonomisch.
Wohlgemerkt: Das hier sind Vorschläge, kein endgültig ausgereiftes Konzept. Es darf diskutiert werden. Sobald (hoffentlich) genug Menschen geimpft sind und die Neuinfektionszahlen nachhaltig nach unten gehen, kann wieder geöffnet beziehungsweise gelockert werden.
Sie sind anderer Meinung?
Diskutieren Sie mit: Online unter www.wienerzeitung.at/recht oder unter recht@wienerzeitung.at