Wichtigste Tarifrunde startet. | Keine Einigung vor Ostern erwartet. | Frankfurt/Main. (dpa) Im Schatten der Streiks im öffentlichen Dienst und beim Hausgerätehersteller AEG beginnt am Mittwoch in Deutschland die wichtigste Lohnrunde des Jahres. Nach monatelangem Aufwärmtraining setzen sich IG Metall und Arbeitgeber an den Tisch, um einen neuen Tarifvertrag für die 3,4 Millionen Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie auszuhandeln.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 18 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die IG Metall hat die Latte mit der Forderung nach 5 Prozent mehr Geld hoch gelegt. Sie will reale Einkommenssteigerungen erkämpfen und damit eine Trendwende einleiten. Die Arbeitgeber plädieren dagegen für eine "kostenneutrale Lohnentwicklung". Damit ist für Zündstoff gesorgt. Die IG Metall sieht sich einer guten Ausgangslage.
Im Gegensatz zu anderen Branchen wie dem von der Inlandsnachfrage abhängigen Einzelhandel oder der Bauwirtschaft geht es den stark exportorientierten Metall- und Elektrounternehmen gut. Die Produktivität der Branche liegt deutlich über jener der Gesamtwirtschaft.
Forderung "bezahlbar"
Heuer werde die Metallindustrie bei einer Produktivitätssteigerung von etwa 5 Prozent und erhöhten Absatzpreisen von rund 1 Prozent "glänzende Ertragsaussichten" haben, rechnet IG-Metall-Vize Berthold Huber vor. Eine Erhöhung der Löhne und Gehälter um 5 Prozent bedeute eine Kostenbelastung für die Unternehmen von etwa 0,88 Prozent. Die Forderung sei also durchaus bezahlbar und verkraftbar.
Rückenwind verspürt die IG Metall auch aus der Politik. Selbst aus der Union mehren sich die Stimmen, die wie Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) "gutes Geld für gute Arbeit" fordern. Die neue Bundesregierung will endlich die Binnenkonjunktur in Schwung bringen. Dies kann nach Ansicht der Gewerkschaften nur gelingen, wenn mehr Geld in die Taschen der Arbeitnehmer kommt und die Kaufkraft gestärkt wird. Nach den jüngsten Berechnungen der Hans-Böckler-Stiftung sind die Tarifeinkommen der Beschäftigten in Deutschland 2005 im Jahresdurchschnitt nur um 1,6 Prozent gestiegen. Bei einer Teuerung von 2,0 Prozent kam unter dem Strich ein Minus heraus.
Die Metall-Arbeitgeber fordern dagegen weiter Lohnzurückhaltung, um Arbeitsplätze in Deutschland zu halten. Schon heute sei ein Achtel der Produktion der Metall- und Elektrobranche "akut von der Verlagerung ins Ausland bedroht", warnt Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführerin Heike Maria Kunstmann. Das entspreche etwa 400.000 der 3,4 Millionen Jobs in Deutschland. Fünf Prozent mehr Geld kosteten die Unternehmen 2 Prozent ihres Ergebnisses. Damit würden 40 Prozent der Unternehmen "in die Verlustzone rutschen".
Kein Inflationsausgleich
Einem Inflationsausgleich erteilen die Arbeitgeber eine Absage. "Für uns kann allein der Produktivitätsfortschritt der Maßstab sein - und der liegt bereinigt bei 1,2 Prozent", sagt Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser. Dies würde Reallohnverluste bedeuten.
Wegen der weit auseinander liegenden Positionen und komplexer Themen wie Qualifizierung und vermögenswirksame Leistungen stellen sich beide Seiten auf schwierige und lange Verhandlungen ein. Die Friedenspflicht endet am 28. März, erst danach kann die Gewerkschaft zu Warnstreiks aufrufen. Eine Einigung noch vor Ostern erscheint deshalb unwahrscheinlich.
"Wenn eiskalte Jobvernichter wie Electrolux bei AEG in Nürnberg und neoliberale Fundamentalisten den Takt der Tarifbewegung bestimmen, dann wird's ein richtig lustiges Frühjahr", meint der Leiter des IG-Metall-Bezirks Frankfurt, Armin Schild. Er verhandelt an diesem Mittwoch in Darmstadt als erster für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland.