Firmen stehen unter Druck und können mit Pauschalen Schwankungen abfedern.
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Wien. Einerseits wird derzeit über flexiblere Arbeitszeiten und 1500 Euro monatlichen Brutto-Mindestlohn diskutiert, andererseits haben immer mehr Arbeitnehmer All-in-Verträge, die alle Arbeitszeiten abdecken. "Eine arbeitsrechtliche Mogelpackung", kritisieren Arbeiterkammer (AK) und Gewerkschaftsbund (ÖGB). Denn der tatsächliche Stundenlohn liege unter dem im Kollektivvertrag vorgesehenen Entgelt, wenn viele Überstunden anfallen.
Beweisen lässt sich das aber kaum - noch dazu, weil für diese Beschäftigten offiziell keine Arbeitszeit aufgezeichnet wird, sagt ÖGB-Sekretär Bernhard Achitz. Der Gewerkschafter kritisiert fehlende Transparenz, denn durch die Pauschale werden nicht nur Mehrarbeits- und Überstunden, sondern oft auch Reisezeiten, Bereitschaftszeiten und manchmal auch Kilometergeld abgedeckt. "Jeder soll wissen, wie hoch sein Grundgehalt ist", fordert Achitz daher eine gesetzliche Regelung, dass im Arbeitsvertrag das für die Normalarbeitszeit zustehende Gehalt ausgewiesen werden muss.
Arbeitsrecht ist wohl Thema in Koalitionsgesprächen
Gegen eine gesetzliche Regelung von pauschaler Abgeltung sprechen sich hingegen die Arbeitgebervertreter aus. Viele Unternehmen stehen im Wettbewerb mit anderen - ausländischen - Firmen unter Druck: Die Industriellenvereinigung (IV) betont, dass Firmen unbürokratisch auf schwankende Auftragseingänge reagieren müssen. All-in-Verträge haben Vorteile für beide Seiten, sagt Martin Gleitsmann, Leiter der Abteilung Sozialpolitik der Wirtschaftskammer Österreich. "Für den Betrieb vereinfachen sie die Lohnverrechnung, der Arbeitnehmer erhält die Pauschale auch, wenn er keine Überstunden leistet." Die Überzahlung werde - im Unterschied zu ausgewiesenen Überstunden - auch bei Berechnung der Sonderzahlungen berücksichtigt. IV-Generalsekretär Christoph Neumayer fordert zudem erneut ein "zeitgemäßes Arbeitszeitrecht" mit praktikablen Höchstarbeitszeitgrenzen und geeignete Durchrechnungsmöglichkeiten auf Betriebsebene. Diese lehnt die Gewerkschaft jedoch auch in der laufenden Metaller-Lohnrunde vehement ab.
Es ist davon auszugehen, dass flexiblere Arbeitszeiten und All-in-Verträge auch Thema in den Koalitionsgesprächen sein werden. Offiziell bestätigt wird das von einer Sprecherin des Sozialministeriums zwar nicht. Minister Rudolf Hundstorfer hat aber zuletzt mehr Transparenz bei All-In-Verträgen gefordert: Es sollte angegeben werden, wie viele Überstunden gedeckt sind und ab wann man gratis arbeiten würde, lautet sein Vorschlag. Überstunden, die außerhalb des vereinbarten Gehalts liegen, müssten dann bezahlt werden.
Im Wirtschaftsministerium will man sich mit Verweis auf die Regierungsverhandlungen derzeit nicht zu diesem Thema äußern. Im August zeigte sich Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner jedoch gesprächsbereit für ein Gesamtpaket, sollte Hundstorfer eine konkrete Regelung zu All-in-Verträgen ansprechen.
All-in-Verträge auch bei Verkäufern und Hilfskräften
Gleitsmann bezeichnet All-in-Verträge als "bewährtes Instrument": "Betriebe sollten selbst entscheiden, wo es passt, All-in-Verträge abzuschließen." Eine pauschale Abgeltung von Überstunden ist aber längst nicht mehr Managern vorbehalten. Mehr als eine halbe Million Arbeitnehmer in Österreich haben All-in-Klauseln unterschrieben, darunter 50.000 Bürokräfte und mehr als 60.000 Verkäufer oder Gastgewerbe-Angestellte, wie eine Sonderauswertung der Statistik Austria ergab.
"All-in-Klauseln kommen mittlerweile auch sehr stark im Niedriglohnbereich vor", sagt Alice Kundtner von der Arbeiterkammer Wien. Ein Fünftel jener, die weniger als 1300 Euro brutto pro Monat verdienen, geben in einer Umfrage der Fachhochschule Wiener Neustadt im Auftrag von AK und ÖGB an, eine solche Klausel oder eine Überstundenpauschale unterschrieben zu haben. Dazu gehören auch Hilfskräfte von Elektrohandelsketten, erzählt Kundtner: "Da geht es auch in Richtung Lohndumping, weil unter dem KV bezahlt wird."
Arbeitnehmervertreter wollen Aus für Konkurrenzklauseln
"Je kürzer die Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt sind, desto mehr unfaire Klauseln finden sich im Dienstvertrag", so Kundtner. Die Arbeitnehmervertreter fordern eine Abschaffung von Konkurrenzklauseln, die "Erwerbschancen hemmen und nicht mehr zeitgemäß sind". Die Strafen beim unerlaubten Wechsel zum Mitbewerber würden üblicherweise drei bis sechs Brutto-Monatsgehälter betragen. Konkurrenzklauseln haben ihre Berechtigung, sagt dagegen Gleitsmann: "Wenn ein Mitarbeiter Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, aber auch Kunden seines Arbeitgeberbetriebes gut kennt und mit diesem Wissen nahtlos zur Konkurrenz wechselt, kann das für das ursprüngliche Unternehmen den Ruin bedeuten."
Nicht nur bei freiwilligen Konkurrenzklauseln, sondern auch beim Kleingedruckten wie der Versetzung an einen anderen Arbeitsort raten die Arbeitnehmervertreter, öfter zu verhandeln.