Warum eine Aufwertung der betrieblichen Sozialpartnerschaft sinnvoll wäre.
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Walter Hämmerle hat in seinem Kommentar "Die Mächtigen und ihre Kammern" auf einen zentralen und immer problematischeren Aspekt der Sozialpartnerschaft in Österreich hingewiesen: die enge Verflechtung der vier Sozialpartnerorganisationen mit der Politik, präziser: ÖVP und SPÖ. Allerdings ist die Frage, wer in den vergangenen Jahren die Mächtigen waren: die beiden Parteien oder doch eher die Sozialpartner, die sich der Koalitionspartner zur Durchsetzung ihrer Interessen bedienten, einschließlich Verankerung in der Verfassung?
Die sich abzeichnende Veränderung der Regierungskonstellation sehen die Sozialpartner - in unterschiedlicher Intensität - als Bedrohung, man denke an die Diskussion über die Pflichtmitgliedschaft und die Höhe der Pflichtbeiträge in den Kammern. Das mag einen Teil der eher ungewohnten Härte der laufenden Metallerlohnverhandlungen insbesondere auf Arbeitnehmerseite erklären, die damit die Bedeutung von flächendeckenden Kollektivverträgen für die Einkommensentwicklung und die Gestaltung der Arbeitsbedingungen dokumentieren will.
Darüber hinaus stehen die Lohnverhandler jedes Jahr wieder vor der großen Herausforderung Globalisierung, die Zweifel am bisherigen Verhandlungssystem laut werden lässt. Der hohe Anteil der Waren- und Dienstleistungsexporte an der heimischen Wirtschaft verlangt eine Lohn- und Produktivitätsentwicklung, die zusammen mit den übrigen Produktionskosten vorrangig die internationale Konkurrenzfähigkeit sicherstellt und damit Jobs und Einkommen in Österreich. Zur langfristigen Absicherung der Konkurrenzfähigkeit gehört übrigens auch eine angemessene Gewinnentwicklung als Voraussetzung für Kapitalaufbringung und Investitionsfinanzierung und als Anreiz für ausländische Investoren im Inland. Gleichzeitig soll die reale Kaufkraft der Konsumenten gesteigert werden, was mit dem ersten Ziel in Widerspruch stehen kann.
Ein Beispiel: Höhere Energiepreise schlagen sich in den Verbraucherpreisen nieder und führen zu höheren Lohnforderungen zwecks Kaufkraftsicherung, die die Unternehmen, die ja selbst durch steigende Energiepreise belastet sind, noch zusätzlich schultern müssen. Wie wäre dieses Dilemma zu lösen? Naheliegend wäre eine stärkere Verlagerung von Lohnbildungs- und Arbeitszeitkompetenzen auf die Betriebsebene in größeren Unternehmen, wobei die Gewerkschaften weitgehende Informations-, Beratungs- und Monitoring-Rechte erhielten. Diese Aufwertung der betrieblichen Sozialpartnerschaft würde eine stärkere Berücksichtigung der wirtschaftlichen Situation des einzelnen Betriebes beziehungsweise der Branche und gleichzeitig der Interessen der Belegschaft ermöglichen. Sie käme nicht nur der "traditionellen" Wirtschaft zugute, sondern ganz besonders der zunehmenden Zahl rasch wachsender Unternehmen der Digitalwirtschaft, deren Bedürfnisse herkömmliche Kollektivverträgen nicht abdecken. Streiks im aktuellen Verhandlungsprozess wären ein schädliches Signal für den Wirtschaftsstandort und würden den Weg für einvernehmliche Verbesserungen im Lohnbildungsprozess versperren. Hoffen wir auf eine rasche Einigung.