Neuverhandlungen verzögern die Rückzahlungen. | Kredite von fast 80 Milliarden Euro. | Wien. Sparzwang: ja - aber wie viel? Pensions- und Gehaltskürzungen, Steuer- und Budgetreformen sowie Reformen bei den Sozialausgaben hatte der Internationale Währungsfonds (IWF) an die Auszahlung seiner Milliarden-Notkredite geknüpft. Nun aber sieht es ganz so aus, als könnten einige Länder Zentral- und Südosteuropas die Kredit-Bedingungen nicht zeitgerecht erfüllen.
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In sieben Ländern - Ukraine, Lettland, Slowakei, Tschechien, Ungarn, Polen und Kroatien - stehen heuer Präsidentschafts- oder Parlamentswahlen an. Derzeit erlangen also kurzfristige Wahlziele gegenüber den IWF-Rückzahlungen politische Priorität und die Defizite erhöhen sich. Sind die Wahlen schließlich gelaufen, könnten Machtkämpfe bei der Regierungsbildung, anfällige Minderheitsregierungen und andere Komplikationen zielführende Budgets verzögern.
Denn wie bereits das Krisenjahr 2009 gezeigt hat, lassen sich den Wählern Sparbudgets nur schwer verkaufen: Etwa geriet Ungarns Premier Ferenc Gyurcsany ins Kreuzfeuer der Kritik wegen seiner Steuer- und Budgetreformen. Er musste ein Jahr vor den für kommenden April geplanten Parlamentswahlen zurücktreten. Auch die Regierungen Tschechiens, Lettlands und Rumäniens zerfielen angesichts gescheiterter Reformversuche.
"Die Erwartungen, wie schnell man sich mit Reformen aus der Krise navigieren könnte, waren zum Teil unrealistisch", räumt Vanessa Rossi vom Londoner Think Tank Charter House gegenüber Reuters ein: "Neuverhandlungen der Kredit-Bedingungen mit dem IWF würden bedeuten, dass die Rückzahlungen mehrere Jahre dauern." Aufgrund der schwachen Wirtschaftslage könnten vor allem die Wahlen in der Ukraine und in Lettland ökonomisch schwerwiegende Konsequenzen haben.
Die Ukraine, die bisher vom IWF 12 Milliarden Euro erhalten hat, hat seine Kreditrückzahlungen bis zu den Präsidentschaftswahlen am Sonntag de facto eingestellt. "Je länger die Regierungsbildung dauert, desto länger wird das IWF-Programm angehalten, desto länger müssen die Geldreserven der ukrainischen Nationalbank angezapft werden und desto langsamer erholt sich die Wirtschaft", warnen etwa Analysten der Bank Austria /UniCredit. Demnach könnte Julia Timoschenko die Wahlen auch aufgrund ihrer bisher guten Kooperation mit dem IWF und ihrem Willen zur schnellen Regierungsbildung gewinnen.
Lettland unter Druck
Dem kleinen, von der Finanzkrise heftig gebeutelten baltischen EU-Mitglied Lettland machen die Geldgeber IWF und EU Druck, die geplanten Einsparungen in der versprochenen Höhe einzuhalten. Sie haben mit einer Einstellung der Auszahlung der Darlehen in Höhe von 7,5 Milliarden Euro gedroht. "Doch die Frage ist, ob die derzeitige Regierung bis zu den Wahlen im Oktober überlebt", so die Analysten. Geplante Budget- und Pensionskürzungen der Regierung wurden vom Verfassungsgerichtshof gestürzt. Die Parlamentswahlen im April drohen zur Zerreißprobe für die Regierungskoalition zu werden. Peter Brenzischek, Chefanalyst der Raiffeisen Zentralbank, sieht auch Gefahren für den Kurs der Währung mit spürbaren Auswirkungen auf den europäischen Märkten.
Von Frühling bis Frühsommer wählen Ungarn, Tschechien und Slowakei. In Ungarn, das IWF, EU und Weltbank mit einem Kreditrahmen von 20 Milliarden Euro vor dem wirtschaftlichen Kollaps gerettet haben, könnte eine neue Regierung die wirtschaftliche Lage stabilisieren. Premier Gordon Bajnai hatte im November ein Budget verabschiedet, das ab 2011 ein Jahreswachstum von bis zu vier Prozent bringen soll. Weniger Bedeutung messen die Analysten den Wahlen in der Slowakei und in Tschechien zu, die keine Hilfen beanspruchen.
Mit Spannung erwarten sie jedoch die Präsidentschaftswahlen in Polen, dem der IWF eine Kreditlinie 15,5 Milliarden Euro gewährt hat. Als stärkster Kandidat im Oktober gilt Premier Donald Tusk, der die Privatisierung des Gesundheitssystems und eine Pensionsreform durchzusetzen soll. Die Folgen der Dezember-Wahlen in Rumänien, das 20 Milliarden Euro an Nothilfen bekommen hat, manifestieren sich bereits in Form eines Sparbudgets, das ein Wachstum von 1,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts 2010 bringen soll.