"Weitere Schritte können folgen". | Türkei soll Zutritt zu Gefangenen gewährt werden. | Paris/London/Teheran/Moskau/Wien. Großbritannien hat wegen der 15 im Iran inhaftierten britischen Marinesoldaten am frühen Mittwochnachmittag alle Beziehungen zu Teheran mit sofortiger Wirkung eingefroren. "Das war ein notwendiger und logischer Schritt, nachdem alle bisherigen diplomatischen Bemühungen unfruchtbar waren. Weitere Schritte könnten folgen", erklärte ein Diplomat des Königreiches, der namentlich nicht genannt werden wollte, der "Wiener Zeitung" nüchtern.
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Tatsächlich ist der Konflikt um die 15 Marinesoldaten und Seeleute (unter ihnen eine Frau), die am Freitag von iranischen Sicherheitskräften festgenommen worden waren, zur Causa Prima avanciert.
Die zentrale Frage ist, ob die betroffenen Soldaten sich nun nach britischer Darstellung in irakischen Hoheitsgewässern oder nach iranischer Ansicht auf deren Hoheitsgebiet befanden. Dies löste in den vergangenen fünf Tagen Marathonverhandlungen zwischen Teheran und London aus: Dreimal wurde Irans Vertreter vom britischen Außenministerium einbestellt, um die sofortige Freilassung der Briten zu fordern, genauso oft telefonierte Außenministerin Margaret Beckett mit ihrem iranischen Kollegen Manuchehr Mottaki.
Dabei verschärfte London den Ton und kündigte am Mittwoch auch an, die Unschuld der Soldaten mittels Satellitenfotos beweisen zu wollen. Die britischen Boote hätten sich eindeutig innerhalb irakischer Gewässer aufgehalten, als sie von den iranischen Revolutionsgarden gestoppt worden seien, stellte der stellvertretende Chef des britischen Verteidigungsstabes, Vizeadmiral Charles Style, klar. Demnach betrug der Abstand zur Grenze 1,7 Seemeilen, das entspricht etwa drei Kilometern.
Beckett, die wegen der heiklen Lage ihren Türkeibesuch verkürzte, um nach London zurückzukehren, will vor allem nicht einsehen, warum die iranischen Behörden Diplomaten den Zutritt zu den Gefangenen bisher verwehrt haben. "Wenn es ihnen wirklich so gut geht und sie so ausgezeichnet behandelt werden, wie von Teheran behauptet, warum lässt man uns dann diese Angaben nicht verifizieren?", empörte sie sich.
Iran: Keine Sorge wegen "Kriegsspielen"
Daher bat sie den türkischen Premier Tayyip Erdogan vor ihrer Abreise, seine guten Beziehungen zu Teheran dazu zu nutzen, in der Sache zu vermitteln. Dieser kam diesem Wunsch auch umgehend nach. Wie der Sender CNN Turk meldete, stellte Irans Führung ihm in Aussicht, dass türkische Diplomaten die gefangenen Briten bald sehen könnten. Die Sorge um die Sicherheit der Inhaftierten beherrschte auch eine Sondersitzung des britischen Parlaments, bei der Premier Tony Blair die Abgeordneten über den Stand der Dinge informierte.
Unterdessen geht das Säbelrasseln am Golf ungemindert weiter. Washington hat vor der Küste des Iran im Golf die stärkste Marinepräsenz seit der Irak-Invasion vor etwa vier Jahren aufgebaut. Wie der Kapitän des bereits in den Gewässern kreuzenden Flugzeugträgers "Dwight D. Eisenhower" mitteilte, traf nunmehr auch der zweite Flugzeugträger "Stennis" in der Seeregion ein, um "für einige Tage" an gemeinsamen Manövern teilzunehmen.
Davon gab sich Teheran unbeeindruckt. Im Fernsehen hieß es in englischer Sprache: "Iran: Keine Besorgnis wegen der Kriegsspiele des Pentagon im Persischen Golf" und "Teheran beobachtet (die US-) Kriegsspiele genau."