Wien macht im aktuellen Ranking der Finanzzentren größten Sprung vorwärts.
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London. Für zigtausende Zuschauer ist es nur ein buntes Kostümfest. Andere halten es für den Aufmarsch der mächtigsten Lobby der Welt: Mit einem Festumzug präsentiert sich jedes Jahr im November der neu bestellte Bürgermeister der Londoner City - nicht zu verwechseln mit dem Bürgermeister der Großstadt London: Während Letztere gut 8 Millionen Einwohner verzeichnet, wohnen in der City, der "Square Mile" (Quadratmeile), knapp 8000 Bürger. Dafür pendeln Hunderttausende zu ihrem dortigen Arbeitsplatz in einer der 500 ausländischen Banken, Brokerfirmen, Investmentbanken und Anwaltskanzleien.
Deren Interessen vertritt die City of London Corporation - mit dem Lord Mayor an der Spitze. Was mit mittelalterlichen Gilden und historischen Kostümen an eine Karnevalsgemeinschaft gemahnt, ist ein mächtiger Fürsprecher der Finanzwelt. Die City hat nicht nur ihre eigene Polizei und ihr eigenes Gefängnis - sie macht auch ihre eigenen Gesetze: Das Recht zur Selbstverwaltung reicht zurück bis auf das Jahr 886. Paradoxerweise konnte der Distrikt dadurch zum modernsten und größten Finanzzentrum der Welt werden. Mit einem täglichen Umsatz von rund 2000 Milliarden Dollar und 38 Prozent Marktanteil ist London der mit Abstand wichtigste Handelsplatz für Devisen. Auch im Derivatehandel und bei Börsegängen liegt London weit vorne und führt mit seinen zwei Finanzzentren - der City und der Canary Wharf auf dem ehemaligen Hafengelände - mit Respektabstand das Ranking der globalen Finanzzentren an. Fast schon traditionell werden New York, Hongkong und Singapur in der Liste, welche die Denkfabrik Z/Yen (mit Sitz in der City) erstellt, auf die Ränge verwiesen. Und dennoch: Der Finanzplatz ist auf dem absteigenden Ast. In Boomjahren arbeiteten bis zu 350.000 Menschen dort, im heurigen Jahr könnte die Zahl auf 237.000 fallen. 2015 könnte Hongkong der City den Rang ablaufen, prognostiziert das Centre for Economics and Business Research.
Wien klettert von 36 auf 24
Erstaunliches Detail am Rande: Wien hat im jüngsten Finanzzentren-Zwischenbericht (Global Financial Centers Index 12.5), der vorige Woche aktualisiert wurde, den größten Sprung vorwärts gemacht und liegt nun direkt hinter Paris auf Platz 24. Im September lag die Donaumetropole noch auf Platz 36. "Dass die Bewertungen für Wien so viel besser ausfallen, hängt damit zusammen, dass Investoren Sicherheit suchen, solange die Eurokrise andauert", sagt Z/Yen-Autor Mark Yeandle zur "Wiener Zeitung": "Frankfurt und Paris zeigen ebenfalls starke Performance. Finanzzentren in soliden Volkswirtschaften sind im Vorteil gegenüber jenen, welche die Krise direkt betrifft." Österreich gelte eben als weniger riskant als Italien, Griechenland oder Spanien. Allerdings könnte die Finanztransaktionssteuer einige Ränge kosten: "Die Steuer mindert die Wettbewerbsfähigkeit, wenn sie an konkurrierenden Finanzplätzen nicht eingeführt wird." Wie stark die Einbußen sind, hänge aber auch von anderen Kostenfaktoren ab. Der nächste vollständige Bericht erscheint im März.