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London in der Terrorspirale

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Politik

Die Stadt wurde zum dritten Mal binnen drei Monaten von einem Anschlag erschüttert. Diesmal richtete er sich gegen Moslems.


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London. London kommt nicht zur Ruhe. Zu Wochenbeginn hat ein neuer Terroranschlag in der Stadt Angst und Schrecken ausgelöst. Diesmal traf es eine Gruppe moslemischer Mitbürger, die sich nach nächtlichen Gebeten im Stadtteil Finsbury auf der Straße versammelt hatten. Ein Mann, der seinen Lieferwagen gezielt in die Gruppe steuerte, rief hinterher angeblich aus: "Ich will Moslems töten!"

Zehn Opfer forderte die Attacke, ein Mann wurde leblos geborgen. Ob sein Tod von dem Wagen verursacht wurde, war am Montag nicht klar. Der Mann war schon vorher zu Boden gesunken. Andere beugten sich über ihn, um ihm zu helfen, als der Täter in seinem weißen Lieferwagen auf sie zugerast kam. Zwei der Opfer wurden mit schweren Verletzungen eingeliefert und schwebten offenbar in Lebensgefahr.

Den Täter selbst vermochten Augenzeugen des Vorfalls dingfest zu machen, als er zu entkommen versuchte. Mehrere Männer schlugen ihn zu Boden und hielten ihn fest, bis die Polizei auf der Szene erschien. Ein Imam soll dafür gesorgt haben, dass niemand den Täter weiter verletzte. Der Betreffende wurde später als 48-Jähriger identifiziert, er soll auf seinen Geisteszustand hin untersucht werden. Der Mann wurde unmittelbar des versuchten Mordes angeklagt.

Der neue Vorfall löste noch in derselben Nacht Alarm bis in die Regierungszentrale hinein aus. Regierungschefin May trat eilig vor die vor die Tür von No. 10 Downing Street, um ihre "Abscheu" zum Ausdruck zu bringen. London durchlebe "eine schwierige Zeit", die es aber "mit großem Gemeinschaftsgeist" durchstehe, sagte sie. Londons Bürgermeister Sadiq Khan, selbst ein Moslem, nannte den Anschlag "eine bewusste Attacke gegen unschuldige Londoner, von denen viele just ihre Gebete zum Ausklang des heiligen Monats Ramadan beendet hatten".

"Während dies offenbar eine Attacke gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe war", fügte Khan hinzu, "war es ein Angriff auf all unsere gemeinsamen Werte von Toleranz, Freiheit und Respekt - genau wie die schrecklichen Anschläge von Manchester, Westminster und London Bridge." In der Tat war dieser neueste Terrorakt der vierte in Großbritannien binnen drei Monaten. Bei allen drei in London verübten Anschlägen wurden jeweils Fahrzeuge als Waffen benutzt.

Angriffe auf Moslems nahmen zuletzt deutlich zu

Nachdem die bisherigen Anschläge von Personen ausgeführt worden waren, die sich dem Islam zuzählten und sich als Dschihadis verstanden, hatten moslemische Gemeinden allerorten auf der Insel bereits Racheaktionen rechtsradikaler Briten befürchtet. Moslemische Verbände und Polizeistellen meldeten einen rapiden Anstieg von alltäglichen Angriffen und "aus Hass verübten Verbrechen" gegen Moslems überall. Die Zahl der täglichen Übergriffe soll zurzeit sieben Mal so hoch sein wie vor wenigen Jahren noch. Leider sei über die Anti-Moslem-Attacken "nicht genügend berichtet worden in den Medien", klagte der Britische Rat für Moslems. Die Attacke in der Nacht auf Montag war die gewalttätigste bisher. Sie ereignete sich vor einem moslemischen Gemeindezentrum unweit der Moschee von Finsbury Park. Die Finsbury-Park-Moschee war vor Jahren einmal als Sitz des radikalen Predigers Abu Hamza in Verruf gekommen, hat sich seither aber einen guten Namen gemacht. Zum Fastenmonat Ramadan, der am kommenden Wochenende zu Ende geht, hatten viele Moscheen besondere Sicherheitsvorkehrungen getroffen.

Repräsentanten von Kirchen und Synagogen stellten sich dem Moslem-Rat unmittelbar zur Seite: Ein Angriff auf eine Religion sei einen Angriff auf alle Religionen. Hier werde versucht, Spannungen im Lande anzuheizen und die Bevölkerung zu spalten. Zornige Reaktionen gab es allerdings auch am Ort des Verbrechens. Mehrere der Augenzeugen klagten darüber, dass Polizei und Notdienste nicht schnell genug erschienen seien. Bei den Anschlägen in Manchester und auf London Bridge habe sich die Polizei gebrüstet, binnen vier bis sechs Minuten vor Ort gewesen zu sein, sagten sie. Hier aber, in Finsbury, habe es wesentlich länger gedauert, bis jemand zu Hilfe kam. Einer der Beteiligten berichtete Reportern später, der Mann habe ihn aufgefordert, ihn zu töten. Darauf habe er erwidert: "Sag mir, warum du diese unschuldigen Leute mit deinem Auto hast umbringen wollen." Der von der Polizei abgeführte Mann habe nur gestikuliert und gelacht.

Oppositionsführer und Labour-Vorsitzende Jeremy Corbyn, in dessen Wahlkreis die Finsbury-Moschee liegt, tauchte zu großem Beifall in den Straßen von Finsbury auf und nahm an einer Gebetsstunde teil. Begleitet wurde er von Bürgermeister Khan. Später traf auch Premierministerin May in der Moschee ein, um sich hinter verschlossenen Türen mit Vertretern verschiedener Glaubensrichtungen zu beraten. Als sie abfuhr, riefen ihr Leute in den Straßen Schimpfworte nach.

Immer mehr Bürger Londons beginnt inzwischen das Gefühl zu beschleichen, dass für die Stadt eine recht ungewisse Zeit angebrochen ist. Schon die Attacken auf die Westminster Bridge und auf die London Bridge haben Unruhe ausgelöst, auch wenn die meisten Bewohner der Stadt versuchen, ihr Alltagsleben weiterzuführen.