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Londons Abgeordnete schwer unter Beschuss

Von Christian Lowe

Politik

Ein neues Bürohaus für Abgeordnete des britischen Parlaments erhitzt die Gemüter. Die Parlamentarier stehen parteiübergreifend unter öffentlichem Beschuss. Zu aufwendig, zu extravagant, zu teuer sei das Gebäude ausgefallen, sagen die Kritiker.


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Portcullis House heißt das architektonische Prachtstück, es liegt im Herzen Londons gleich gegenüber dem Parlament und wurde erst kürzlich fertig gestellt. 231 Millionen britische Pfund (388 Mill. Euro/5,34 Mrd. S) hat der Bau gekostet, das sind mehr als eine Million Pfund für jedes der 210 Abgeordnetenbüros. Der britische Rechnungshof (National Audit Office) kündigte bereits an, die Planung und den Bau von Portcullis House zu untersuchen.

Es sind nicht so sehr die hohen Kosten, die die öffentliche Meinung gegen den Neubau aufbrachten. Viel schwerer wiegt der Ärger über die extravagante und kostspielige Ausstattung, die in Zukunft das Leben der Parlamentarier verschönern soll. In dem spektakulären verglasten Atrium des Gebäudes stehen zwölf Feigenbäume, die für umgerechnet 492.000 DM aus Florida über Belgien nach London geschafft wurden. Allein die Bronzeverkleidung der Außenwände und des Dachs kostete fast 100 Millionen DM; und weil ihm diese Außenverkleidung unter bestimmten Lichtverhältnissen zu dunkel erschien, ließ der Architekt die Bronze nachträglich für zusätzliches Geld aufpolieren. Im Eingangsbereich steht ein Empfangsdesk aus Kalkstein für rund 250.000 DM. Britische Zeitungen merkten spitz an, dass man für diese Summe bereits ein bescheidenes Einfamilienhaus im nordenglischen Liverpool erwerben könne.

Norman Baker, Abgeordneter der oppositionellen Liberaldemokratischen Partei, kritisiert die Kosten für Portcullis House als "kolossal" und "unglaublich". "Hoffentlich erhalten die Rechnungsprüfer Aufschluss darüber, wie es dazu kommen konnte, dass das Geld der Steuerzahler derartig bereitwillig ausgegeben wurde", sagt Baker.

Mit allzu lauter Kritik schneiden sich die Parlamentarier freilich selbst ins Fleisch. Schließlich waren sie es, die in einer Allparteienkoalition das Bauprojekt genehmigten und beaufsichtigten. Einige Abgeordnete verteidigen den Neubau auch jetzt noch tapfer gegen die wachsende öffentliche Kritik. Qualität habe eben ihren Preis, ist zu hören. Außerdem werde das prächtige Gebäude der ganzen Nation zugute kommen, weil es die Effizienz der Abgeordneten verbessere. Bakers liberaldemokratischer Kollege Lembit Opik jedenfalls war ganz hingerissen von dem Gebäude und hat sich gleich um eines der Büros beworben. Jetzt ist er sehr zufrieden mit seinem neuen Dienstsitz: "Ich verbringe weniger Zeit mit Herumlaufen und kann mich mehr um die Anliegen meiner Wähler kümmern", sagte er.