Die EU ringt um größere Unabhängigkeit von russischen Energielieferungen - und die Pläne zur Förderung von Schiefergas kommen Gazprom ungelegen.
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Wladimir Tschischow ist ein Mann, der bedächtig redet und dabei gerne lächelt. Und nur manchmal gelingt es ihm nicht, die dahinter liegende Ironie zu verbergen. Vielleicht will er es auch gar nicht. Er ist zwar seit fast 40 Jahren im diplomatischen Dienst tätig und wählt daher seine Worte bewusst. Doch ist er ein Repräsentant Russlands, und da können die Aussagen schon klarer sein, als es westliche Diplomaten zustande bringen.
Dabei habe er als langjähriger russischer Botschafter bei der EU jede Menge Sympathie für die Union, sagt Tschischow bei Begegnungen mit Journalisten. Aber dass die Gemeinschaft keine gemeinsame Position zum Waffenembargo für die syrische Opposition etwa finden kann, sei sehr enttäuschend. Russland gefällt nämlich gar nicht, dass die Sanktionen nun auslaufen sollen. Dass Moskau selbst Waffen nach Syrien liefert, wird umgekehrt mit alten Verträgen gerechtfertigt.
Die Lage im Nahen Osten wird denn auch Thema des Gipfeltreffens sein, zu dem Vertreter der EU und Russlands Anfang der Woche zusammenkommen. EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso, Ratspräsident Herman Van Rompuy und Energiekommissar Günther Oettinger reisen nach Jekaterinburg, um in der Stadt am Uralgebirge, ein paar Kilometer östlich der imaginären Trennlinie zwischen Europa und Asien, Staatspräsident Wladimir Putin und Mitglieder der russischen Regierung zu treffen.
Wer dieses Mal nicht mitkommt, ist Handelskommissar Karel De Gucht - für EU-Botschafter Tschischow ein Zeichen dafür, dass es derzeit keine großen Handelsstreitigkeiten zwischen den Partnern gibt. Der Warenaustausch wächst beständig, für russische Produkte ist die EU der größte Absatzmarkt. Drei Viertel der Exporte machen dabei Öl- und Gaslieferungen aus.
Das allerdings bereitet den Europäern auch Sorgen: Sie wären gern unabhängiger von den Russen, die fast ein Drittel des Energiebedarfs in der EU abdecken. Die Ideen, die dazu beispielsweise Kommissar Oettinger entwickelt, lösen wiederum in Moskau keine Freude aus.
Ausgerechnet bei einem Besuch in Litauens Hauptstadt Vilnius wies der Deutsche vor kurzem auf die Möglichkeiten der Ausbeutung von Schiefergas hin. Gerade Litauen, das in einem Monat den EU-Vorsitz übernimmt, leidet unter der Abhängigkeit von Russland und hegt Pläne, die vom Bau neuer Atomkraftwerke bis hin zur Förderung von Schiefergas gehen. Beide Methoden sind in der EU umstritten; beide kämen für die Kommission in Frage.
Die Bedenken gegen die Ausbeutung von Schiefergas können dem Energiemonopolisten Gazprom nur recht kommen. Dessen Vertreter schüren sie auch zeitweise: Sie sprechen von Schäden für die Umwelt, von teurer aber unprofitabler Förderung. Dahinter steckt jedoch die Befürchtung, die vorrangige Stellung als Gas- und Öllieferant zu verlieren. Eine Herausforderung für den russischen Konzern könnte schon sein, wenn die Europäer es schaffen würden, ihre eigenen Stromnetze effizienter zu nutzen. Dafür aber müssten sie nicht nur eine gemeinsame Position finden, sondern die dann auch umsetzen.