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Lose-lose-Situation in Italien

Von Anja Stegmaier

Politik

Präsident Sergio Mattarella konnte noch keine Ergebnisse bei der Regierungsbildung erzielen.


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Rom/Wien. Die Situation in Italien nach den Parlamentswahlen vom 4. März ist nach wie vor festgefahren. Gewinner waren das Mitte-rechts-Bündnis aus der Lega (mit rund 17 Prozent stärkste Partei des Mitte-rechts-Bündnisses) und der Forza Italia (FI) sowie die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S, mit knapp 33 Prozent stärkste Einzelpartei). Ohne Partner kann jedoch keiner von beiden regieren. Auch nach der zweiten Konsultationsrunde von Präsident Sergio Mattarella, mit Hilfe der Senatspräsidentin Elisabetta Alberti Casellati von der FI, konnte keine Mehrheit ausgelotet werden.

Laut Historiker Steven Forti von der Autonomen Universität Barcelona stehen in den nächsten Monaten vier Optionen zur Wahl. Mattarella könne den Ball dem Abgeordnetenhaus übergeben. Es läge dann an dessen neuem Präsidenten Roberto Fico vom M5S, eine Mehrheit zu gewinnen. Der Präsident könnte es aber auch den Gewinnern der Wahl überlassen, eine Mehrheit zu finden: Luigi Di Maio vom M5S und Matteo Salvini von der Lega liebäugeln derzeit am ehesten miteinander. Dass sich die Parteien aber bis Ende der Woche zusammentun, wie kürzlich von Di Maio vorgeschlagen, hält Forti für sehr unwahrscheinlich. Denn beide Parteien hätten den längsten Atem: "Beim eher unwahrscheinlichen Szenario von Neuwahlen hätten M5S und die Lega am wenigsten zu verlieren, im Gegenteil, sie könnten aus heutiger Sicht noch Stimmen dazugewinnen", sagt der Italienexperte zur "Wiener Zeitung".

Bei der Mehrheitsfindung stellen sich nun folgende Problemfelder: Mattarellas Wunschszenario ist gleichzeitig ein sehr unwahrscheinliches. Der Partito Democratico (PD), der bei der Wahl mit Frontmann Matteo Renzi starke Verluste eingefahren hat, könnte den M5S bei einer Minderheitsregierung unterstützen. Renzi sei dazu aber absolut nicht willens, so Forti. Es sei schwierig, die Anti-Haltung der PD aufzubrechen, denn Renzi, der nun Senator ist, hat vor den Wahlen viele junge Leute in Position gebracht, die ihm nahestehen.

Dass die M5S und das Mitte-rechts-Bündnis zusammenfinden, sei wiederum nur schwer möglich, da der eigentliche Anführer des Bündnisses, Silvio Berlusconi, in einer Koalition mit dem M5S nicht in die zweite Reihe verdrängt werden will, und andererseits, weil der viermalige Ex-Premier für all das steht, wogegen der M5S zu den Wahlen angetreten ist: politische Elite, Korruption und Freunderlwirtschaft.

Die Fünf-Sterne-Bewegungist gespalten

Das aktuell vorherrschendere Problem ist aber vielmehr die Ambivalenz der Bewegung von Di Maio. Der 31-jährige Polit-Newcomer bevorzugt eine Regierung mit der rechten Lega - Roberto Fico tendiert allerdings zu Mitte-links. "Der M5S hat deshalb so viele Stimmen gewonnen, weil er Wähler aus dem rechten und linken Lager angezogen hat", sagt Forti. Eine Koalition mit Links beziehungsweise Rechts würde das jeweils andere Lager verprellen, so der Historiker. Eine Lose-lose-Situation also.

Salvini von der Lega dürfte momentan ebenfalls zerrissen sein. Einerseits will der fremdenfeindliche Politiker regieren, andererseits riskiert er mit einem Pakt mit dem M5S einen Bruch mit Berlusconi - mit dessen Partei er in wirtschaftlich wichtigen Regionen im Norden des Landes gemeinsam regiert. Darüber hinaus ist auch Salvini keiner, der gerne in die zweite Reihe rückt. Bei einer Regierung des rechten Bündnisses, wäre er Anführer - ein Szenario, das der 45-Jährige schwer loslassen kann.

Mögliche Neuwahlen würden laut Forti nur unter höchstem medialen und internationalen Druck ausgerufen. Wahrscheinlicher sei, dass der Präsident einen parteiunabhängigen Technokraten dazu befugt, die Regierung zu bilden. Das wolle in Italien momentan aber schlicht niemand, so der Historiker - das sei eine "Last-Minute-Option". "Mattarella wird diese Karte nicht spielen, wenn er nicht die nötige Mehrheit hierfür zusammenbekommt", so Forti.

Österreichische Regierung verärgert Rom

Bis es handfeste Neuigkeiten zur Regierungsbildung in Italien gibt, könnten also Monate vergehen. Neuwahlen würden sowieso nicht vor Oktober stattfinden, so Forti.

Unterdessen sorgte ein Vorstoß aus Österreich für Aufregung in Italien. Nachdem am Donnerstag das österreichische Außenministerium den Begutachtungsentwurf des Konsulargesetzes zwar von der Parlamentswebseite entfernen hat lassen, reichte Italien Protest ein. Der Entwurf, dass sich deutsch- und ladinischsprachige Südtiroler auch an Österreich als diplomatische Vertretung im Ausland wenden könnten, bezeichnete Italiens Außenminister Angelino Alfano als Verstoß gegen EU-Recht und internationales Recht.

Während Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher den Entwurf positiv bewertete, sieht die Präsidentin der Region Friaul-Julisch Venetien Debora Serracchiani die guten Beziehungen zwischen Italien und Österreich gefährdet. Sie äußerte die Hoffnung, Bundeskanzler Sebastian Kurz werde die "extremen Flügel seiner Koalition" bremsen. ÖVP und FPÖ haben laut Regierungsprogramm vereinbart, deutsch- und ladinischsprachigen Südtirolern die Doppelstaatsbürgerschaft einzuräumen. Eigentlich lässt Österreich Doppel- oder Mehrfachstaatsbürgerschaften aber gar nicht zu.