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Löst neuer Präsident EU-Verfassungskrise?

Von Alexander U. Mathé

Europaarchiv

Neuer Wind mit Wechsel im Elysée. | Sarkozy plädiert für Mini-Verfassung. | Paris. Mit der Fixierung der beiden Kandidaten für die Endrunde der französischen Präsidentenwahl steigt auch in der EU die Spannung, wie es denn künftig mit der EU-Verfassung weitergehen wird. Nach dem Non zum Regelwerk bleiben mit der Sozialistin Ségolène Royal und dem Konservativen Nicolas Sarkozy nur noch zwei Lösungsvorschläge für einen Weg aus der Krise.


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"Das Problem lässt sich am einfachsten mit einem Filzstift erklären", sagte der französische Journalist und Europa-Experte José-Manuel Lamarque im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". "Stellen Sie sich vor, ich habe einen Filzstift. Der ist zwar mein Eigentum, hat aber keine Tinte. Dann kommen Sie zu mir und bieten mir einen anderen an, der funktioniert. Ich lehne aber ab, weil es mir wichtiger ist einen Filzstift zu haben, der mir gehört, als einen der funktioniert." Ähnlich verhalte es sich mit Frankreich und der EU-Verfassung. Solange diese als französische Idee des ehemaligen Präsidenten Valéry Giscard dEstaing gegolten hatte, sei alles in bester Ordnung gewesen. Erst als sie zu einem europäischen Konzept wurde, das Frankreich von der EU aufgezwungen wurde, ergab sich das Problem.

Angst vor Sozial-Zusatz

Royal scheint mit ihrem Lösungsvorschlag die Grätsche zu gelingen, die EU-Verfassung, quasi so wie sie ist, beizubehalten und gleichzeitig Frankreich wieder eine bestimmende Rolle zurückzugeben. Die Sozialistin will in die künftige europäische Verfassung auch ein Kapitel über "die neuen Politiken, den sozialen Fortschritt, Arbeitsrechte, den öffentlichen Dienst und die Umwelt" aufnehmen und bis 2009 ein erneutes Referendum über das Grundgesetz abhalten.

Dem kann der Jurist und Buchautor Nicolas Baverez relativ wenig abgewinnen: "Abgesehen davon, dass ich das juristisch gesehen für gelinde gesagt heikel halte, darf man nicht vergessen, dass die Holländer aus dem gegenteiligen Grund Nein gewählt haben als die Franzosen." In den Niederlanden habe man Angst vor einer übermächtigen, interventionistischen Super-EU gehabt. "Was glauben Sie, was die Holländer und die Briten, die ja noch nicht abgestimmt haben, dann erst zur Idee von Frau Royal sagen werden? Die werden glauben, dass man da versucht, ein neues sowjetisches System aufzuziehen", erklärte Baverez.

Zudem ist es für den Juristen noch immer extrem riskant, den Franzosen noch einmal eine EU-Verfassung zur Abstimmung vorzulegen. Eine Furcht, die er mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel übrigens teilt. Baverez sieht die einzige Lösungsmöglichkeit im Vorschlag von Nicolas Sarkozy. Der will einen "klein" genannten Vertrag mit den Kernpunkten der alten Verfassung zu den Institutionen vom Parlament billigen lassen. Die umstrittenen Fragen der sozialen Dimension Europas will Sarkozy hingegen weglassen. Ein EU-Außenminister soll für Europa sprechen und "die diplomatischen, budgetären und gegebenenfalls militärischen Mittel koordinieren".

Im Wahlkampf wird das Thema allerdings so leise wie möglich gespielt. Will es sich doch keiner der Kandidaten mit den Nein-Wählern von 2005 verscherzen, die wahlentscheidend sein könnten.