Entscheidung des EGMR in Musterfall wird heute bekannt. | Auswirkungen auf Österreichs Asylpolitik möglich. | Wien/Straßburg. Heute, Freitag, ist es so weit: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), wird eine lang erwartete Entscheidung zu den europaweiten Abschiebungen nach Griechenland bekannt geben. Der Präzedenzfall betrifft einen afghanischen Staatsbürger, der aus Belgien nach Griechenland abgeschoben wurde. Er klagte vor dem EGMR, weil er unter anderem gegen die Abschiebung kein Rechtsmittel einlegen konnte und in Griechenland unmenschlicher und erniedrigender Behandlung ausgesetzt war.
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Denn "im Moment gibt es in Griechenland keinen effektiven Flüchtlingsschutz", so Melita Sunjic vom UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR. Trotzdem halten einige Länder weiter an der Dublin-II-Verordnung fest, wonach jenes Land für das Asylverfahren zuständig ist, in dem der Betreffende zuerst europäischen Boden betreten hat. So wurden etwa bis August 2010 aus Österreich 161 Menschen nach Griechenland rückgeführt. Aktuellere Zahlen werden derzeit im Innenministerium nicht kommuniziert. Man führe aber "eine tiefgehende Einzelfallprüfung durch". Außerdem mache man "sehr intensiv" vom Selbsteintrittsrecht - der Möglichkeit, Verfahren in Österreich durchzuführen - Gebrauch. Einen Abschiebestopp, wie ihn der EGMR im bereits Oktober gefordert hat, gebe es aber nicht.
Abschiebestopp nicht nur in Deutschland
In anderen Ländern ist das anders: Laut UNHCR führen die Niederlande, Belgien, Großbritannien, Norwegen und Island keine Abschiebungen nach Griechenland durch. Erst am Mittwoch ist Deutschland mit einem auf ein Jahr befristeten Abschiebestopp nachgezogen.
Das EGMR-Urteil wird nicht nur vom UNHCR mit Spannung erwartet: Wenn das Urteil so ausgehe, "wie es menschenrechtlich geboten ist", müsse sich Österreich dazu bekennen, dass "Abschiebungen nach Griechenland menschenrechtlich nicht möglich sind", sagte Amnesty-Generalsekretär Heinz Patzelt. Sollte Belgien in diesem Fall verurteilt werden - wovon nach entsprechenden Wortmeldungen des EGMR ausgegangen wird -, drohen auch Österreich mehrere Verurteilungen, da einige österreichische Fälle in Straßburg anhängig sind.
Im Innenministerium will man sich jedenfalls nicht auf Spekulationen einlassen und das Urteil erst einmal genau lesen.