PD-Parteivorstand sucht Ausweg aus Krise| Renzi als Premier im Gespräch.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Rom. Nur wenige Stunden nachdem er den führenden Politikern des Landes am Montagabend in seiner Antrittsrede die Leviten gelesen und sie ultimativ aufgefordert hatte, im Interesse des Landes zusammenzuarbeiten, begann der wiedergewählte italienische Staatspräsident Giorgio Napolitano am Dienstagvormittag die Konsultationen für die Bildung einer neuen Regierung.
Den Konsultationsreigen startete Senatspräsident Pietro Grasso, nach dem Kammerpräsidentin Laura Boldrini an der Reihe war. Danach waren am Vormittag zunächst im Zehn-Minutentakt die Vertreter der kleinen politischen Gruppierungen dran und für den Nachmittag waren im Halbstundentakt Termine für die Delegationen von Lega Nord, der Monti-Partei Scelta Civica (Bürgerwahl), 5-Sterne-Bewegung (M5S), der Berlusconi-Partei PdL und als letzte um 18.30 die Vertretung der Demokratischen Partei (PD) angesetzt..
Die M5S hatte aber bereits am Montag Überlegungen angestellt, ob ihre Politiker überhaupt an den Konsultationen teilnehmen sollen.
Am Nachmittag war auch eine Krisensitzung der PD angesetzt, in der es darum ging, die Haltung zu einer Regierung der breiten Zusammenarbeit abzuklären, die Napolitano anstrebt. Außerdem ging es darum, nach dem Rücktritt von Parteichef Pier Luigi Bersani und des gesamten Parteivorstands eine interimistische Führung zu bestimmen und einen außerordentlichen Parteitag einzuberufen.
Im Vorfeld der Konsultationen wurde darüber spekuliert, an wen wohl der Auftrag des Präsidenten zur Regierungsbildung gehen werde. Als Favorit wurde dabei von Anfang an der frühere Regierungschef Giuliano Amato gehandelt, aber auch der Name des bisherigen stellvertretenden PD-Chefs Enrico Letta wurde in Erwägung gezogen.
Seit Dienstag wird aber immer öfter Matteo Renzi, der Bürgermeister von Florenz, der bei den parteiinternen Vorwahlen für das Amt des Premierskandidaten im November/Dezember 2012 Pier Luigi Bersani unterlegen war, als potenzieller neuer Regierungschef gehandelt.
In einem TV-Interview am Montagabend hatte Matteo Orfini, der Sprecher der sogenannten "Jüngtürken" in der PD, die bisher als Bersani-Anhänger galten, den Namen Renzis ins Spiel gebracht. Man sei bereit, Präsident Napolitano den Namen Renzis vorzuschlagen. Dabei ist aber nicht sicher, ob Renzi innerhalb der Partei eine Mehrheit findet, hat er sich doch in der Vorwoche durch seine Angriffe gegen Urgesteine der Partei, wie Anna Finocchiaro und Franco Marini viele Feinde geschaffen. Aber Kenner der Partei meinen, dass der früheren Chef der Linksdemokraten, Massimo D‘Alema und der Vorgänger Bersanis als PD-Parteichef, Walter Veltroni, für Renzi zum Brückenbauer werden könnten.
Renzi würde auch breite Zustimmung aus den Reihen der Mitte-Rechts-Koalition finden. Die Lega Nord etwa, die bereits ihr Nein gegen Amato deponiert hat, ist bereit, ihn als Premier zu akzeptieren, ebenso die von Berlusconis PdL abgespaltenen früheren Mandatare der postfaschistischen Alleanza Nazionale, die jetzt als "Fratelli d‘Italia" (Brüder Italiens) firmieren. Und Berlusconi hat sowieso nie ein Hehl daraus gemacht, dass ihm Renzi das liebste Gegenüber innerhalb der PD ist. In Berlusconis Umgebung spekuliert man auch darauf, dass Renzi als Chef einer breiten Koalitionsregierung viel von seinem Glanz als "Neuer" verlieren könnte und sich damit bei künftigen Neuwahlen seine Chancen als Herausforderer Berlusconis verringern würden.
Renzi könnte selbst beim bisherigen Koalitionspartner von Bersani, der linksökologischen SEL von Nichi Vendola, Zustimmung finden, allerdings nicht für eine große Koalition. "Matteo ist sicher eine Novität", sagte Vendola, "aber keine, die die SEL dazu bringen könnte, einer Regierung das Vertrauen auszusprechen, in der der Berlusconi-Block vertreten ist".
Grillo sagt den BankrottItaliens für Herbst voraus
M5S-Parteichef Beppe Grillo sagte in einem Interview mit der "Bild-Zeitung" für den Herbst den Bankrott seines Landes voraus. Im September, oder spätestens Oktober habe der Staat kein Geld mehr, um Löhne und Pensionen auszuzahlen, sagte er.
Grillo versuchte auch, das schlechte Abschneiden seiner Partei bei den Regionalwahlen in Friaul/Julisch Venetien herunterzuspielen. Die M5S hatten dort am Wochenende gegenüber den Parlamentswahlen im Februar rund 14 Prozentpunkte Stimmenanteil verloren und rutschte von mehr als 27 auf nunmehr 13,75 Prozent ab. Neue Regionalpräsidentin in Friaul wurde die PD-Politikerin Debora Serracchiani, die mit einem Vorsprung 2066 Stimmen (0,39 Prozent) den bisherigen Amtsinhaber Renzo Tondo (PdL) ablöst.
Gelöst wurde auch das Rätsel um die M5S-internen Vorwahlen für das Präsidentenamt. Für Stefano Rodotà hatten sich von 28.518 Abstimmenden 4677 entschieden.