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Vorausgesetzt, die Währungsunion übersteht den Sturm: Wie werden die Geschichtsbücher über die Eurokrise urteilen? Vermutlich wird jene ferne Zeit, in der Europas Kleinstaaten zwar eine Währung hatten, aber jeder für sich sein Glück an den Finanzmärkten versuchen musste, so kurios scheinen wie Deutschlands Kleinstaaterei vor 1871.
Es ist ökonomisch widersinnig, dass Europa freiwillig auf den Vorteil eines gemeinsamen Anleihenmarktes verzichtet, um seine Schulden zu finanzieren. Die USA lachen sich ins Fäustchen: Sie stehen finanziell noch schlechter da, profitieren aber, weil sie der einzige Emittent von Staatsanleihen sind, der einen liquiden Markt - also ein großes Volumen - bieten kann.
Die Argumente gegen Eurobonds sind leicht zu entkräften: Deutschlands Steuerzahler würden pro Jahr mit 47 Milliarden Euro zusätzlich belastet, hat das Ifo-Institut (dezidierte Eurobonds-Gegner) berechnet. Freilich haben die Deutschen einfach einen Durchschnitt über die Zinsen der Euroländer gelegt - eine Milchmädchenrechnung. Diese berücksichtigt nicht, dass die aktuellen Zinsen weit über langfristigen Werten liegen und in einem großen Eurobonds-Markt unter das arithmetische Mittel sinken würden - siehe USA.
Das zweite Argument, dass Budgetsünder belohnt würden und kein Anreiz zur Disziplin bestünde, hinkt ebenfalls. Das Gegenteil ist der Fall: Würde eine europäische Schuldenagentur vernünftig aufgesetzt, könnte sie Länder mit leichtsinniger Haushaltspolitik mit Zinsaufschlägen bestrafen und solide Länder mit Nachlässen belohnen. Das wäre ein viel effizienterer Hebel zur Disziplinierung als der Stabilitätspakt, der sich als unwirksam erwiesen hat - und es wäre nachhaltiger, als die Sanktion den Märkten zu überlassen, die je nach Stimmungslage nach oben und unten übertreiben.
Die befürchtete Haftungsgemeinschaft gibt es zudem längst: Für die Risiken, welche die Europäische Zentralbank in ihre Bücher nimmt, stehen letztlich die Steuerzahler aller Länder gerade. Ähnlich verhält es sich mit den Eurorettungsfonds EFSF und ESM: Sie bleiben jedoch auf halbem Weg zu Eurobonds stehen - und fordern deshalb geradezu zu spekulativen Attacken heraus. Womöglich kommt das die Garantiegeber wie Deutschland und Österreich am Ende teurer als Eurobonds.
Wäre eine Schuldenaufnahme mit den EU-Verträgen vereinbar? Die Krise hat gezeigt: Wo es politischen Willen gibt, da tun sich die nötigen Wege auf.
Eurobonds stünden am "Ende des Weges der Integration, nicht am Anfang": So lautet offenbar das neue EU-Wording. Bis Merkel, Sarkozy und Co. die richtige Abzweigung finden, kann es also noch dauern - und teuer werden.