Der österreichische EU-Botschafter in Tokio warnt im Inselstreit vor zu viel Emotionen.
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"Wiener Zeitung": Herr Botschafter, wie sieht man in Tokio den Streit um die Inselgruppe Senkaku oder Diaoyu, wie sie in China genannt werden?Hans Dietmar Schweisgut: In Japan sieht man das natürlich mit Sorge und deswegen auch der Appell der japanischen Regierung an die chinesische Führung, sicherzustellen, dass es nicht zu Übergriffen gegen japanische Einrichtungen, Unternehmen und Personen kommt. Das ist die Erwartungshaltung, die die japanische Regierung an China hat. Wobei man sagen muss, dass es in Japan nicht zu Ausschreitungen gegen chinesische Einrichtungen gekommen ist. In Japan reagiert man sehr besonnen.
Welche Möglichkeiten hat die Europäische Union, in diesem Streit zu vermitteln?
Die Europäische Union nimmt keine Stellung zur Territorialfrage. Europa ist ein wichtiger wirtschaftlicher und politischer Partner aller Staaten in der Region und Europa hat kein Interesse an einer Eskalation. Wir werden alle Mittel nutzen, die zu einer Deeskalation beitragen und die geeignet sind, die Territorialfragen mit friedlichen Mitteln anzugehen.
Sie waren einige Jahre österreichischer Botschafter in Peking und sind nun EU-Botschafter in Tokio. Sie sind ein Kenner Chinas und Japans.Welche Möglichkeiten gibt es aus ihrer persönlichen Sicht, den Streit zwischen beiden Ländern zu lösen?
Es ist schwierig in dieser aufgeheizten Stimmung rationale Lösungen zu erwarten. In China erinnert man sich an den Jahresstag des Mukden-Zwischenfalls - ein Sprengstoff-Anschlag japanischer Offiziere am 18. September 1931 in der Mandschurei -, der dort zur japanischen Invasion geführt hat. In China sind die Wunden noch nicht verheilt. Was ich mit Bestimmtheit sagen kann: In Tokio besteht nicht das geringste Interesse an einer Eskalation und darauf hat auch die japanische Regierung wiederholt hingewiesen. Es besteht die Hoffnung, dass dasselbe auch für die chinesische Führung gilt.
Japanische Restaurants in Peking wurden mit chinesischen Flaggen behängt, die Besitzer hofften so, dass ihr Eigentum vor dem chinesischen Volkszorn verschont bleibt. Japanische Bürger haben Angst davor, sich in China auf Japanisch zu unterhalten, wird berichtet.
Dass japanische Bürger in China Sorge haben, ist keine Frage. Man macht sich angesichts der Meldungslage tatsächlich Gedanken, wie das weitergehen soll. Es stellt sich die Frage, ob China in der Lage und bereit ist, die Sicherheit von Ausländern zu gewährleisten. Das ist oberstes Gebot.
Es geht beim Streit um die Inseln nicht zuletzt auch um Rohstoffe. Europa hat in der Nordsee vorgezeigt, wie man eine gemeinsame Nutzung der Ressourcen organisieren kann. Hat man aus Ihrer Sicht in Ostasien Interesse, sich mit diesen europäischen Modellen auseinanderzusetzen?
Es geht darum, zwei Fragen auseinanderzuhalten. Einerseits geht es um die Frage der territorialen Souveränität. Natürlich hat dies Auswirkungen auf die exklusive Wirtschaftszone und die Möglichkeiten, die Bodenschätze und Fischereiressourcen in dieser Zone zu nützen. Diesbezüglich hat es bereits seit Jahren Gespräche zwischen Japan und China gegeben.
Und selbstverständlich gibt es auch Überlegungen, wie man die Territorialfrage als solche lösen kann. Aber man muss schon sehen, dass das, was jetzt im Vordergrund steht und was die Emotionen derzeit hochgehen lässt, die Territorialfrage und nicht die Frage der Ausbeutung der Ressourcen in diesem Gebiet ist, für die ein langfristiger Ansatz zum Tragen kommen muss. Die Position der Europäer ist, dass für offene Territorialkonflikte, die mit wirtschaftlichen Interessen verbunden sind, eine Lösung im Dialog und im Einverständnis beider Partner die einzig mögliche Lösung ist.