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Lösungen für die Lehrstellen-Misere

Von Andreas Pollak

Gastkommentare
Andreas Pollak ist Geschäftsführer des gemeinnützigen Vereins T.I.W. (Training, Integration & Weiterbildung), der benachteiligte Jugendliche unterstützt.
© Verein T.I.W./Pia Schulz

Unternehmen wie junge Auszubildende haben noch zu oft falsche Erwartungen.


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Viele offene Lehrstellen, unzählige Möglichkeiten für junge Menschen - aber wo sind die Lehrlinge? Der Lehrstellenüberschuss hat einen noch nie dagewesenen Höhepunkt erreicht. Auf 21.393 offene Lehrstellen kamen im Sommer nur 10.176 angehende Lehrlinge. 83 Prozent der mittelständischen Unternehmen haben laut eigener Aussage erhebliche Schwierigkeiten, offene Stellen mit qualifizierten Fachkräften zu besetzen. Zurückzuführen ist diese prekäre Situation hauptsächlich auf ein unbegründet negatives Image der Lehre in der Gesellschaft, gepaart mit einer fehlenden Aufklärung über Chancen und Möglichkeiten und einer unrealistischen Erwartungshaltung der Ausbildenden gegenüber angehenden Lehrlingen.

Zuallererst ist es höchste Zeit, mit alten, längst überholten Vorurteilen aufzuräumen. Eltern wollen verständlicherweise nur das Beste für ihre Kinder, und das sind, begründet durch den schlechten Ruf der Lehre, Matura und Uniabschluss. Dabei sind gut ausgebildete Fachkräfte enorm wertvoll, und finanziell gesehen ist die Lehre langfristig oft der interessantere Weg. Während Studenten im Durchschnitt erst mit 25 Jahren zu arbeiten beginnen, verdienen Lehrlinge schon während der Ausbildung und haben danach, je nach Branche, ein gutes Grundgehalt. Das wirkt sich in jungen Jahren auf die Lebenshaltung und später auch auf Pension und Sozialleistungen aus. Nur so nebenbei sei erwähnt, dass eine Lehre auch nicht eine Matura im zweiten Bildungsweg mit anschließendem Studium ausschließt.

Jedoch fehlen den meisten Jugendlichen schlichtweg ausreichend Informationen zum Lehrangebot, das in Österreich rund 200 Berufe umfasst, einige mit zusätzlichen Schwerpunkten. Von die-
sen kennen die meisten potenziellen Lehrlinge unter Umständen 20 Prozent, wenn überhaupt. Ich bin überzeugt, dass es für jeden Jugendlichen den perfekten Ausbildungs- und Berufsweg gibt. Doch um diesen zu finden, sind eine umfassende Beratung, Informationen und vor allem ein Hinführen an den passenden Lehrberuf, also ein "Matching" zwischen Können und Traum, notwendig.

Seitens der Wirtschaft wird oft beklagt, Jugendliche könnten für eine Lehre nicht genug, vor allem schulisch. In Zeiten eines eklatanten Lehrlingsmangels sollten es sich Unternehmen nicht mehr leisten können, sie abzulehnen. Nur ein Beispiel: Es beginnt schon bei den Bewerbungsverfahren für Lehrplätze, die oft viel Können voraussetzen und darauf abzielen, nur die Besten der Besten für das Unternehmen zu gewinnen, unter der Prämisse, zukünftige Führungskräfte auszubilden. Dieser Erwartungshaltung kann die Zeit nicht mehr gerecht werden. Und braucht es wirklich nur Häuptlinge? Kaum ein Betrieb hat sich schon mit dem Thema verlängerte Lehre oder Teilqualifikation auseinandergesetzt. Beides sind Möglichkeiten, gute, zufriedene und nicht überforderte Mitarbeiter auszubilden, die es auch braucht.

Jedoch ist dafür eine Änderung der Sichtweise und der Erwartungshaltung dringend nötig. Es ist wohl gesellschaftlicher Konsens, dass es sich besonders bei jungen Menschen auszahlt, Zeit zu investieren, um sie in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Also ändern wir die Sichtweise!