Wiens Bürgermeister kündigt neue Spielregeln bei der Inseratenvergabe der Stadt ab 2019 an.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 5 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Bürgermeister Michael Ludwig will die Inseratenvergabe der Stadt Wien neu definieren. Das erklärte er am Donnerstag vor Journalisten. Bis zum Jahresende sollen externe Experten neue Spielregeln für die Zusammenarbeit mit den Medien ausarbeiten. Mehr Details gab er dazu nicht bekannt - nur so viel: Es soll ein "sehr transparentes" Konzept werden. "Und wir wollen Medien stärken, die journalistische Qualität garantieren", so Ludwig.
Der Zeitpunkt für diese Ankündigung dürfte nicht zufällig gewählt gewesen sein, zumal sich in den vergangenen Tagen die Mediengruppe "Österreich" und Konkurrenzzeitungen "Kronen Zeitung" und "Heute" einen heftigen Schlagabtausch lieferten: Zum Wochenbeginn hatte "Österreich" auf Basis der Medientransparenzdaten für 2017 behauptet, die Stadt Wien habe der Familie Dichand "Inseratengeschenke" in Millionenhöhe gemacht. Dann kam die Retourkutsche: Es sei nach Media Analyse Fellners Blatt, das "deutlich überhöhte Inseratbuchungen der Stadt Wien und anderer öffentlicher Stellen in den letzten Jahren bekommen hat", konterte "Heute"-Herausgeberin Eva Dichand.
"Ich reagiere nicht auf Druck und Kampagnen"
Schließlich kam Michael Ludwig selbst ins Kreuzfeuer der Kritik im Zusammenhang mit dem gerichtlichen Vergleich zwischen Wiener Linien und "Österreich", der die Zeitungs-Entnahmeboxen betraf, vor allem vonseiten "Heute" und der "Kronen Zeitung".
Folgte nun eine Trotzreaktion des Bürgermeisters? "Ich reagiere nicht auf Druck und Kampagnen. Und die Unzufriedenheit in der Medienpolitik gibt es nicht erst seit ein paar Tagen", betonte Ludwig beim Pressegespräch. Er fühle sich bestärkt durch viele Menschen in der Stadt, klare Richtlinien und Transparenz durchzusetzen. Dennoch räumte der Bürgermeister ein, dass die Ereignisse der vergangenen Tage doch zu einer Beschleunigung des Prozesses beigetragen haben. Denn er sei schon "befremdet" darüber, dass versucht werde, ihn persönlich in die Sache hineinzuziehen. Ein solch aggressives Verhalten in der Medienwelt gebe es in sonst keinem anderen Bundesland.
"Wenn die Stadt bereit ist, mit einem hohen Mitteleinsatz gemeinsame Informationspolitik zu betreiben, und die Reaktion ist eine allgemeine Unzufriedenheit sowie das Gefühl, dass manche zu wenig vom Kuchen bekommen, dann muss man das eben auf neue Beine stellen", so Ludwig. Er kündigte auch an, evaluieren zu wollen, wie die Inserate bei den Bürgern ankommen - also ob sie ihren Zweck, über Leistungen der Stadt zu informieren, erfüllen.
17,6 Millionen Euro für Inserate und Medienkooperationen
Über wie viel Inseratenbudget die Stadt verfügt, darüber hat man intern noch nie gerne gesprochen. Laut Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH waren es aber im Vorjahr 17,6 Millionen Euro für Inserate und Medienkooperationen und im ersten Halbjahr 2018 rund 7,3 Millionen Euro. Geld, das Ludwig künftig "für eine transparente, zielgerichtete, effiziente und optimale Information" der Wiener einsetzen will. Und das soll seinen Angaben zufolge auch den gesamten Bereich der Digitalisierung und die Nutzung "Neuer Medien" beinhalten.
Allerdings erklärte er auch, dass es ihm persönlich lieber wäre, mit Medien zu kooperieren, die garantieren, dass sie journalistische Qualität einbringen. "Das ist beim Social-Media-Bereich nicht der Fall. Wenn man sich anschaut, was dort los ist: Desinformation, Gegenwelten, Fake-News. Das ist eine Entwicklung, die ich nicht zwingend unterstützen möchte", so Ludwig. Er stehe ebenso kritisch der Entwicklung gegenüber, dass sich medienfremde, internationale Konzerne in Österreich "sehr stark breitmachen". "Mein Interesse ist es, die traditionelle Medienbranche zu nützen. Wenn es gewünscht wird - ich möchte mich auch nicht aufdrängen", so der Stadtchef.
Drohung und Hoffnungsschimmer
Das könnte bedeuten, dass sich der künftige Vergabeschlüssel für Inserate nicht mehr wie bisher an der Auflagenzahl orientiert. Eine Drohung an den Boulevard. Ein Hoffnungsschimmer für die Qualitätsmedien. "Prozessoffen" soll jedenfalls die bevorstehende Expertendiskussion sein. Das betreffe auch die Entnahmeboxen für Gratiszeitungen in den U-Bahn-Stationen. Was das Inseratenbudget betrifft, könne er sich aber vorstellen, "dass wir bei der Höhe bleiben - wenn es gute Argumente gibt", sagte Ludwig.