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Ludwig pokert nicht

Von Alexander U. Mathé

Leitartikel

Doskozil widerspricht der Ausrichtung der Wiener SPÖ.


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Manche Überlegungen gehen an der politischen Realität vorbei. Etwa, wenn es heißt, Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, der Pamela Rendi-Wagner beim Kampf um den SPÖ-Parteivorsitz unterstützt, würde hoch pokern. Ludwig hier eine Spielerlaune zu unterstellen, bei der er sein politisches Kapital riskiert, um sich im Falle eines Gewinns einen Vorteil zu verschaffen, ist der falsche Ansatz. Der Wiener SPÖ-Chef hat einfach gar keine andere Wahl. Denn die prononzierte Abgrenzung von xenophobem Populismus ist das, was die SPÖ in der Hauptstadt aus- und stark macht. Jeder zweite Wiener ist nicht in Österreich geboren oder hat zumindest einen nicht in Österreich geborenen Elternteil.

Rendi-Wagners Herausforderer Hans Peter Doskozil wiederum kokettiert sehr gerne mit migrationsfeindlichen Themen. Als Verteidigungsminister setzte er sich (erfolglos, wie zu erwarten war) dafür ein, potenzielle Asylanten gar nicht erst nach Österreich kommen zu lassen, um sie hier zu überprüfen, sondern dies gleich in zu errichtenden Zentren außerhalb Europas zu erledigen - etwa in Niger, Usbekistan und Jordanien. Als burgenländischer Landeshauptmann beschwerte er sich darüber, dass die Balkanroute entgegen ÖVP-Versprechen nicht geschlossen sei. Als Kandidat für die SPÖ-Spitze hat er das Thema erneut aufs Tapet gebracht und sich für "gezielte Zuwanderung" ausgesprochen. Auch wenn seine Ausführungen in Richtung Abhilfe für den Fachkräftemangel zielten: In solchen Sätzen schwingt ganz klar der Kontrast zum Gegenteil mit - die "ungezielte", sprich: wahllose, massenhafte Zuwanderung. Subtext: Doskozil will für weniger Ausländer sorgen.

Hinter dieser Haltung mag letztlich das Kalkül stecken, Stimmen in der SPÖ zu halten, die sonst zu FPÖ oder ÖVP abwandern würden. Doch Ludwig kann so jemanden nicht offen unterstützen. Tut er es doch, gerät er spätestens bei der nächsten Wahl in Erklärungsnot. "Haben Sie nicht den Kandidaten unterstützt, der weniger Zuwanderung will?" Diese Frage bekäme er jedes Mal gestellt, wenn er oder seine Partei Fremdenfeindlichkeit und Unmenschlichkeit bei FPÖ oder ÖVP anprangern würden.

Ludwig blieb also gar keine andere Wahl, als Rendi-Wagner zu unterstützen, zumal gerade von ihm, als Chef der mächtigsten SPÖ-Landespartei, eine rasche Positionierung gefordert wurde, zu einem Zeitpunkt, als der dritte Kandidat - Andreas Babler - noch gar nicht im Rennen war. Am Ende hätte Ludwig aber sogar bei einem Sieg Doskozils noch etwas zu gewinnen: Er könnte in Wien noch zusätzlich auf jene rechten Stimmen zählen, die Doskozil für die SPÖ mit seinem Migrationskurs einfinge, um die er selbst schon allein aus strategischen Gründen nicht buhlen könnte.