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Über die Fähigkeit Michael Ludwigs, allgemeine Wahlen zu gewinnen, lässt sich keine seriöse Auskunft geben. Nur so viel steht fest: Es sind schon politische Mauerblümchen zu strahlenden Gewinnern geworden und vermeintliche Siegertypen beim ersten Antreten verglüht.
Dagegen steht für die meisten Kommentatoren des Machtwechsels in der roten Hochburg Wien fest, dass der künftige Wiener Bürgermeister seine Partei nach rechts führe. Je nach Standpunkt des Betrachters wird das positiv oder negativ bewertet.
Ob sich die brennenden Fragen der Gegenwart - die Bewältigung der Folgen der Digitalisierung für Wirtschaft und Sozialstaat sowie der Auswirkungen der Migration auf das Zusammenleben - überhaupt nach rechts und links unterscheiden lassen, ist da schon eine ganz andere Frage. Außer "links" und "rechts" stehen in Wirklichkeit für Positionen überlegener Moral. Was ja ohnehin meistens der Fall ist.
Den Reibebaum der türkis-blauen Bundesregierung wird sich Ludwig nicht nehmen lassen. Wien ist das einzige Bundesland, in dem ÖVP und FPÖ strukturell in der Minderheit sind. Und weil Politik zwingend auf ein Feindbild fixiert ist, werden SPÖ und FPÖ nicht voneinander lassen; immerhin hoffen beide, das bessere Ende für sich zu haben. Schon allein deshalb wird Ludwig niemals Rot-Blau machen. Dafür ist Rot-Schwarz nun wieder eine Option in der Hauptstadt. Was wiederum nicht ohne Folgen für den Kurs der Bundes-SPÖ bleiben wird.
Rot-Grün hat den Status eines politischen Projekts verloren, wenn es denn jemals ein solches Projekt gewesen sein sollte. Die SPÖ kann sich nicht mehr sicher sein, in dieser Kombination mehrheitsfähige Antworten auf die gesellschaftspolitischen Fragen zu formulieren.
Wer dafür den Löwenanteil der Verantwortung trägt - SPÖ oder Grüne - ist zweitrangig. Was zählt, ist, dass Ludwig jetzt die Konsequenzen zieht, indem er die SPÖ vor der nächsten Wahl neu aufstellt. Mit Peter Hacker (Soziales und Gesundheit) und Peter Hanke (Finanzen und Wirtschaft) hat er Pragmatiker für die zwei neuralgischen Ressorts geholt. Beide kennen als langjährige Leiter des Fonds Soziales Wien beziehungsweise der Wien Holding den Apparat der Stadt ebenso wie die Probleme, die auf sie warten, bestens.
Die Spekulationen im Vorfeld drehten sich ausschließlich um die diversen SPÖ-internen Seilschaften und Netzwerke. Sollte dies ein Zeichen dafür sein, dass die Nabelschau der Wiener SPÖ nun ein Ende hat, wäre das die beste Nachricht für diese Stadt. Zu gegebener Zeit kann man sich dann auch wieder den Stimmenfängerqualitäten Ludwigs widmen.