Bei Historikern stößt die Frage der Umbenennung auf Lob und Kritik.
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Wien. Es war ein gewisser Adolf Hitler, der den 1910 verstorbenen christlich-sozialen Wiener Bürgermeister Karl Lueger posthum eine umstrittene Ehre angedeihen ließ. Er halte den Mann für den "größten deutschen Bürgermeister aller Zeiten", schrieb der spätere Führer 1924 in "Mein Kampf".
Und wahrscheinlich hätte sich das Stadtoberhaupt, hätte er diese Zeilen gelesen, über Hitlers Belobigung sogar gefreut. Zumal sich Lueger zweifellos als "deutscher" Angehöriger der Habsburgermonarchie sah. Was ihm aber Historiker heute vorwerfen, ist seine antisemitische Haltung und sein Talent, die in der Bevölkerung latent vorherrschende Abneigung gegen über den Juden der Stadt wahltaktisch zu nutzen. Weswegen Kaiser Franz Josef ihm sogar mehrmals nach gewonnener Wahl die "allerhöchste Sanktion" für das Bürgermeisteramt verwehrte. Es sollten Jahre vergehen, bis der 1844 geborene Politiker schließlich doch das höchste Stadtamt eroberte.
Nach Karl Lueger benannt wurde der 620 Meter lange Abschnitt der Ringstraße zwischen Stadiongasse und Schottengasse im Jahr 1934 - in der Zeit des Ständestaates - und blieb bis heute unverändert. Dass das anders werden soll, findet etwa der Wiener Historiker Oliver Rathkolb für in Ordnung. Geht es nach ihm, seien die Argumente, die für die Umbenennung der Prachtstraße in "Universitätsring" sprechen, sehr wohl "stimmig". Ähnlich dürfte das auch die von Rathkolb geleitete Historikerkommission sehen, die derzeit im Auftrag der Stadt Wien sämtliche Straßennamen nach problematischen Fällen überprüft. Um dem Ergebnis, das erst im kommenden Jahr präsentiert werden soll, nicht vorzugreifen, wolle er sich daher nicht weiter äußern, so der Experte zur "Wiener Zeitung". Der Beschluss sei eine Einzelbeurteilung und folglich eine "politische Entscheidung". Ob er der Stadt auch die Umbenennung anderer nach Lueger benannter Orte empfehlen wird, wollte Rathkolb nicht sagen.
Renner-Ring soll bleiben
Keine Freude mit dem "Universitätsring" hat indes der Sozialhistoriker Ernst Bruckmüller. "Ich bin generell gegen Umbenennungen, weil man damit nur eine Lücke im Gedächtnis schafft, die woanders wieder geschlossen wird", betonte er im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Mit der Entfernung des Namens erreiche man nur, dass die Leute erst recht auf Lueger aufmerksam werden und ihn in Erinnerung behalten.
Daran, den umstrittenen Bürgermeister in Ehren zu halten, findet Bruckmüller nichts Anstößiges. "Es war Karl Lueger, der mit seinen kommunalen Leistungen wie der Einrichtung einer Strom- und Wasserversorgung die Grundlage für den sozialdemokratischen Wohnbau legte." Was aber nichts daran ändere, dass er auch ein "Populist" war, dessen antisemitischen "Slogans" man im Auge behalten müsse, so der Historiker. "Jeder Mensch macht Fehler, deswegen wäre ich genauso auch dagegen, den Karl-Renner-Ring umzubenennen, nur weil er für den Anschluss an Deutschland war." Nach Renner ist seit 1956 der Parlamentsring benannt.