Tian Guoli, Vorstandsvorsitzender der Bank of China, der sechstgrößten Bank der Welt, über das verlangsamte Wachstum in seinem Land und Chancen für österreichische Unternehmen in China.
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"Wiener Zeitung": Wie geht es der chinesischen Wirtschaft? Zuletzt waren die Beobachter und Experten ja ein wenig in Sorge.Tian Guoli: Das chinesische Wachstum hat sich zuletzt von acht auf sieben Prozent verlangsamt - dieser Trend wird sich wohl fortsetzen. Unser Präsident Xi Jinping nennt das die neue Normalität. China hat in den vergangenen drei Jahrzehnten stets zweistellige Wachstumsraten erzielt. Dieses Wachstum ging zu sehr auf Kosten der Umwelt: Seit Jahren gibt es Druck auf China in der Frage des Klimaschutzes und Peking hat ja mit Washington im vergangenen Jahr ein Klimaschutzabkommen unterschrieben. China wird die Energieeffizienz verbessern und den Energieverbrauch drosseln. Natürlich ist die Drosselung des Wachstums ein schmerzhafter Prozess. Zugleich ist die chinesische Wirtschaft im Umbruch - einem notwendigen Umbruch. Das Wachstum soll sich in Zukunft weniger von Investitionen und mehr aus dem Konsum speisen. Es ist an der Zeit, dass China ein wenig innehält und versucht, einmal ein wenig Luft zu holen. Wir kennen die Geschichte vom Mann, der sagt, er liebt die Drachen. Eines Tages besucht ihn ein Drache zu Hause und der Mann hat nichts als schreckliche Angst. Mit China ist es sehr ähnlich: Die internationale Staatengemeinschaft hat China immer ermahnt, auf den Schutz der Umwelt mehr Wert zu legen. Als China dann begann, ein nachhaltigeres Wirtschaftsmodell zu entwickeln und umzusetzen, war das plötzlich auch nicht recht, weil man in Europa und den USA nun plötzlich Sorge um das Wachstum in China hatte.
An den chinesischen Börsen gab es auf den Kurscharts derzeit vor allem eine Richtung: nach unten.
Ich glaube nicht, dass der Aktienmarkt die Fundamentaldaten der chinesischen Wirtschaft wirklich reflektiert. Unsere Börsen sind noch nicht sehr reif: Da reicht oft ein Gerücht und sofort schlagen die Kurse aus. Die Fundamentaldaten sprechen für sich: Die Schuldensituation in China ist gut, und das Land verfügt über große Währungsreserven. Die chinesische Bevölkerung spart weiter sehr fleißig. Chinas Exportquote ist weiter sehr hoch. Auch die Sorge um den Immobilienmarkt ist nicht berechtigt: Chinas Städte werden weiter wachsen, die Pro-Kopf-Einkommen steigen weiter, der Bedarf ist enorm, die Urbanisierung schreitet voran.
Zuletzt ist der Kurs der chinesischen Währung aber um 4,6 Prozent gefallen - das hat Schockwellen um die Welt geschickt.
Das ist aber nicht passiert, weil China seine Exporte weiter ankurbeln oder die Kosten für seine Importe drosseln will. Wir wollen sicherstellen, dass unser Wechselkurs-Mechanismus mit dem Rest der Welt zusammenpasst. Es gab manchmal Kritik, die Regierung würde den Wechselkurs beeinflussen, wir wollen aber, dass der Wechselkurs unserer Währung Yuan-Renminbi eben nicht von der Regierung oder der Notenbank bestimmt wird, sondern vom Markt. Dieser Übergang geht aber nicht ohne Fluktuationen vonstatten, damit war zu rechnen. Welche Chancen und welche Risiken sehen Sie in einem derartigen Umfeld für österreichische Unternehmen?
Erstens: Österreich hat große Kompetenz in der Umwelttechnologie, bei Urban Technologies. Als Investoren sind österreichische Unternehmen ebenfalls hochwillkommen: Denn bisher hat es gereicht, wenn Investoren Arbeitsplätze geschafft haben. Heute hat China viel striktere Umweltauflagen. Wenn ein Unternehmen die Umwelt in China verschmutzt, dann ist man nicht mehr willkommen. Der Vorteil österreichischer und europäischer Unternehmen ist, dass sie bei umweltfreundlichen Produktionsmethoden sehr weit fortgeschritten sind.
Die Bank of China wird in Wien eine Filiale eröffnen. Was ist die Motivation, nach Österreich zu gehen?
Das geht auf den Besuch von Bundespräsident Heinz Fischer zurück. Er hat damals gefragt, warum wir keine Filiale in Österreich haben. Seine Frage war berechtigt. Nun wird es bald eine Niederlassung geben. Österreich ist stark in puncto Forschung und Entwicklung. Aber die meisten Unternehmen sind kleine Familienbetriebe und sie verfügen nicht über eine besonders üppige finanzielle Ausstattung. Die Bank of China kann Investitionen bringen, kann österreichische Unternehmen mit chinesischen Unternehmen und Investoren vernetzen und kann zudem österreichischen Unternehmen dabei behilflich sein, den chinesischen Markt zu erobern. Ich habe während meines Aufenthalts schon - ohne dass das geplant gewesen wäre - mehrere Deals abschließen können. Das ist ein sehr positives Signal. Vor allem die Olympischen Winterspiele in China 2022 bieten Österreich gute Chancen.
Sind Sie Skifahrer?
Ich habe es einmal versucht, wäre aber beinahe gleich schwer gestürzt. Wer weiß, vielleicht hätte das negative Auswirkungen auf den Aktienkurs der Bank of China, wenn mir da etwas zustößt. Allein im Interesse der Aktionäre lasse ich es daher lieber sein. (lacht.)
Einige Ihrer Mitbewerber, vor allem Chinas größte Bank ICBC, hat zuletzt in Europa expandiert. Sind Sie nicht spät dran?
Wir haben international über 600 Filialen, in China selbst über 10.000. Das Wachstum von ICBC ermutigt uns eher - denn das zeigt uns, dass wir in Europa erfolgreich sein können. Und es gibt ja nicht weit von hier - in Budapest - eine Niederlassung. Die Hoffnung für Österreich: Wenn das Geschäft in Wien das Geschäft in Budapest eines Tages überschattet, wird Wien zu unserem regionalen Zentrum.
Zur Person
Tian Guoli
ist seit 2013 Vorstandsvorsitzender der Bank of China, der sechstgrößten Bank der Welt mit einem Umsatz von 407,5 Milliarden Dollar (Bilanzsumme: 2,6 Billionen Dollar) und über 300.000 Mitarbeitern. Tian war Gast beim Europäischen Forum Alpbach.