Boeing hat den Markt für Großflugzeuge mit seinen 747-Maschinen mehr als drei Jahrzehnte lang kontrolliert. Mittlerweile ist aber der europäische Airbus zu einem starken Konkurrenten geworden. Das Match Europa gegen USA beim Zivilflugzeugbau spitzte sich zuletzt zu: Während Airbus im Vorjahr erstmals auf mehr Bestellungen als der Konkurrent aus Seattle verweisen konnte, ist Boeing sicher, auch weiterhin einen Weltmarktanteil von rund 60 Prozent halten zu können. Bei den "Übergrößen" sind die Weichen jetzt überraschend neu gestellt: Während Airbus den A380 bis 2004 in der Luft haben will, verzichtet Boeing vorerst auf eine "XXL"-Version der 747 - man setzt auf Tempo statt Größe.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 23 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Boeing will den "Sonic Cruiser" entwickeln und bauen, ein brandneues mittelgroßes Flugzeug, das fast mit Überschallgeschwindigkeit fliegen kann. Der "Sonic Cruiser" ("Schall- Kreuzer") soll zwischen 2006 und 2008 in die Serienfertigung gehen.
Boeing-Manager Alan Mulally glaubt, das Flugzeug könne die Welt des Fliegens genau so dramatisch verändern wie die Einführung der Düsenmaschinen. "Das ist das Flugzeug, dass unsere Kunden wollen", teilte das Unternehmen mit. Die neue Maschine soll höher, schneller, weiter und ruhiger fliegen als alle bisher bekannten Verkehrsflugzeuge, die Passagiere könnten direkt ihre Ziele anfliegen und überfüllte Flughäfen und Zwischenstopps vermeiden.
Das neue zweistrahlige Flugzeug soll mit einer Geschwindigkeit von Mach 0,95 fliegen, das sind 95% der Schallgeschwindigkeit oder - auf Meereshöhe gerechnet - fast 1.200 Stundenkilometer. Die Maschine wäre damit etwa 20% schneller als die derzeitigen Flugzeuge. Dies bedeutet eine Zeitersparnis von mehr als einer Stunde zwischen Europa und New York und zwei Stunden bis zur amerikanischen Westküste oder Fernost.
Die Reichweite des "Sonic Cruiser" soll 16.600 Kilometer betragen. Die Maschine wird im Reiseflug Höhen über 13.000 Metern erreichen. Die Kabine wird für 100 bis 300 Passagiere ausgelagt. Das futuristisch wirkende Flugzeug hat Delta-Flügel am Heck und zwei kleine Leitflügel am Bug.
Boeing überlässt damit dem Superairbus A380 vorerst kampflos das Feld und legte am Freitag seine Pläne für den Bau des Super-Jumbos 747X wieder auf Eis - weil bisher bei dem Unternehmen keine Bestellungen für das Flugzeug eingegangen waren. Bei einer entsprechenden Nachfrage könnte das 747X-Projekt aber jeder Zeit wiederbelebt werden, hieß es. Airbus hat dagegen bereits 66 Bestellungen und 54 Optionen für den neuen Riesen. Als Zwischenschritt steht übrigens in Toulouse eine Stretch-Version des A340 kurz vor ihrem Jungfernflug: Der A 340-600 für 380 Passagiere.
Der 747X sollte dem neuen Airbus-Riesen A380 Konkurrenz machen. Die doppelstöckige A380, soll auf zwei Decks mehr als 500 Passagiere ohne Zwischenlandung um die halbe Welt fliegen können. Die Maschine soll um bis zu 20% wirtschaftlicher und umweltschonender fliegen als der betagte Jumbo. Sie hat 16 Meter mehr Spannweite und um die Hälfte mehr Deckfläche. Eine A380, die 555 Plätzen bietet, soll nach Airbus-Angaben rund 250 Mill. Dollar (283 Mill. Euro/3,89 Mrd. Schilling) kosten. Die erste A380 soll im März 2006 bei Singapore Airlines in Dienst gehen.
Der Super-Airbus A380 gilt mit Programmkosten von 12,1 Mrd. Euro (166 Mrd. Schilling) als weltweit bisher ehrgeizigstes Flugzeugprojekt.
Das Abfluggewicht der A380 von 550 Tonnen wird auf einem Fahrwerk ruhen, das allein mit einem Eigengewicht von 20 Tonnen dem Gewicht eines 50 Plätze fassenden Flugzeugs entspricht. Das drei Etagen hohe Seitenruder ist so hoch wie die Tragfläche eines zweimotorigen Propellerflugzeugs.
Den weltweiten Bedarf für Flugzeuge mit über 500 Sitzen schätzt Airbus auf 1.500 Flugzeuge bis 2020 - 750 davon will man selbst verkaufen, Boeing dagegen schätzt den Bedarf bei den "Übergrößen" wesentlich niedriger ein und will selbst 500 Stück an die Airlines ausliefern. Insgesamt rechnen die Amerikaner damit, dass in den nächsten 20 Jahren weltweit 22.000 neue Flugzeuge gebraucht werden. Den höchsten Bedarf sieht man aber im Gegensatz zu Airbus nicht in der Jumbo-Kategorie, sondern bei Jets für kurze und mittlere Strecken.
Bei der Airbus-Mutter EADS werden die Boeing-Pläne am Freitag skeptisch kommentiert: "Ein neues Flugzeug zu entwickeln, das höhere Betriebskosten je Sitz hat, ist für uns nicht überzeugend".
Ob groß oder schnell oder beides: Der Bedarf wird steigen. Flughäfen und Fluglinien in den USA müssen sich darauf einstellen, in Zukunft eine Milliarde Passagiere im Jahr zu befördern. Laut der US-Luftfahrtbehörde FAA beförderten Fluggesellschaften aus aller Welt im vergangenen Jahr 694 Millionen Passagiere auf 13 Mill. Flügen in die USA und zurück. Bis 2010 werde diese Zahl auf eine Milliarde ansteigen, so die Experten.