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Luftkrieg über Österreich

Von Brigitte Biwald

Wissen

Am 12. März 1945 flog die US-Airforce den schwersten Angriff auf Wien. Aber schon in den Jahren davor wurden viele österreichische Orte von amerikanischen Bomben getroffen.


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März 1945: Der Krieg in Ostösterreich ging schon deutlich aufs Ende zu. Doch das Dritte Reich wehrte sich beinahe bis zum letzten Atemzug. Historiker sind sich einig, dass der Luftkrieg aus diesem Grund militärisch gerechtfertigt war, auch wenn er großteils die falschen Ziele traf und Tausenden von Unschuldigen das Verderben brachte.

Anders als Deutschland hatte Österreich, so der Militärhistoriker Manfried Rauchensteiner, keine ausgedehnten Flächenbombardements und auch keine 1000-Bomber-Angriffe zu erdulden: "Es wurde nur stückweise zertrümmert." "Österreich", so Rauchen-steiner weiter, "kam zugute, dass es, abgesehen von wenigen Ausnahmen britischer Angriffe, primär durch die Amerikaner bombardiert worden ist. Terror-Bombardements waren nicht US-Luftkriegsstrategie. Es ist nie versucht worden, einen Feuersturm wie in Dresden zu entfachen." Die Verheerungen und Opfer waren dennoch schlimm genug.

Österreich im Visier

Einschlägige Statistiken registrierten während des Zweiten Weltkrieges insgesamt 53 Luftangriffe auf Wien mit fast 9000 Toten und rund 37.000 total zerstörten Wohnungen.

Aber nicht nur Wien war betroffen. Als im Mai 1943 Nordafrika und in der Folge Süditalien von den Alliierten eingenommen wurden, war ganz Österreich in die Reichweite der britischen und amerikanischen Luftflotte gerückt. Ab November 1943 starteten die 15. US-Luftflotte und das 205. Bombengeschwader der Royal Air Force vom italienischen Foggia aus.

Der erste schwere Bombenangriff der Amerikaner gegen ein Ziel in Österreich wurde am Freitag, dem 13. August 1943, gegen Wiener Neustadt geflogen. 29 Angriffe mit 55.000 abgeworfenen Bomben forderten 790 Tote, rund 1000 Menschen wurden verletzt. Eine Vielzahl von Sprengtrümmerbrüchen machten Amputationen nötig. Wiener Neustadt war eine der schwerstzerstörten Orte Österreichs. Der zweite Ort, der vollständig zerstört wurde, war Hainfeld in Niederösterreich. Und in St. Pölten starben bei 10 Angriffen 591 Menschen.

Neben den strategischen Angriffen wurden österreichische Orte auch immer wieder als "Ausweichziele" angeflogen. So wurde am 1. Oktober 1943 Feldkirch mit 36 Bomben angegriffen, da das eigentliche Ziel Augsburg wegen der Flugabwehr unerreichbar war. Fast 200 Menschen fanden den Tod. Eines der nächsten Ziele war Innsbruck, das an einem strahlenden Dezembertag 1943 dem schlimmsten von insgesamt 22 Bombenangriffen (515 Tote insgesamt) ausgesetzt war: In nur zwei Minuten starben 270 Menschen in den Trümmern.

Klagenfurt wurde am 16. Jänner 1944 zum 48. Mal bombardiert, wobei mehr als 200 Menschen zu Tode kamen. Insgesamt waren 512 Tote zu beklagen.

1944, am Dienstag nach Pfingsten, wurde Marchtrenk bei einem Splitterbombenangriff auf Wels in Mitleidenschaft gezogen, ebenso ein weiteres Mal, als am 17. Februar 1945 Wels und Linz gleichzeitig bombardiert wurden. Dabei wurden auch weibliche Feuerwehrleute von Marchtrenk getötet. Auf Knittelfeld fielen in 20 Angriffen 1200 Bomben, wobei 256 Menschen umkamen.

Villach war das Zielobjekt zur Zerstörung des Verkehrsnetzes Wien-Venedig und München -Balkan. Es wurde ab Sommer 1944 systematisch angegriffen, insgesamt waren es 37 Angriffe mit 11.525 abgeworfenen Bomben und 272 Toten.

Trügerische Sicherheit

In Salzburg wähnte man sich sicher, doch 15 Angriffe trafen die Stadt. Die Amerikaner hatten die Festspiele geliebt und vom britischen Premier Churchill hieß es, er schätze die Stadt. Am 16. Oktober 1944 heulten die Bombensirenen, künstlicher Nebel wurde entfacht - 130 Tonnen Bomben trafen darauf nicht nur das angepeilte NS-Heereszeugamt, sondern weite Teile der Stadt. 245 Menschen wurden getötet.

Auf Graz, wo wichtige Rüstungsbetriebe der Steyr-Daimler-Puch AG angesiedelt waren, fielen in 56 Angriffen 29.000 Bomben, wobei 1788 Tote zu beklagen waren. Der schwerste Angriff erfolgte am 1. November 1944. Fast 400 Menschen starben.

Am 12. März 1945 wurden die Wiener Staatsoper, aber auch der Philippshof, die Albertina, der Messepalast, das Burgtheater und andere Bauten der Ringstraße zerstört.
© Yevgeny Khaldei/Corbis

Am 10. September 1944 erfuhr Wien den ersten Großangriff aus der Luft. In kurzen Intervallen schlugen Bomben in die Wohnhäuser ein. Rund 350 US-Bomber warfen ihre tödliche Fracht ab. Über 1000 Menschen wurden getötet; eine Gedenktafel in der Schottenkirche auf der Freyung erinnert daran. Noch leben Zeitzeugen und Zeitzeuginnen, die in den Bunkern und in den provisorisch luftschutzmäßig eingerichteten Kellern während der 53 Luftangriffe zwischen 1944 und 1945 Schutz suchten. Eine Zuflucht, die Kriegsgefangenen, Juden und Zwangsarbeitern verwehrt blieb. Wie aus Zeitzeugenberichten hervorgeht, waren sie dem Bombenhagel schutzlos ausgeliefert. Überlebten sie den Angriff, hatten sie danach den Schutt wegzuräumen.

Viele Menschen waren von Splittern oder Trümmern verletzt worden. Nicht immer boten die Bunker in Wien Schutz. Dem Sauerstoffmangel fielen vor allem kleine Kinder zum Opfer. Auch im Bunker des Rathauses am Friedrich Schmidt-Platz waren Tote zu beklagen. Viele Hilfesuchende fanden jedoch medizinische Versorgung in den Flaktürmen. Das belegen Funde, die in den letzten Jahren im Flakturm des Arenbergparks gemacht wurden. Schutz gewährten die tiefen Keller der Wiener Innenstadt.

Das Jahr 1945 in Wien

Die größten Zerstörungen ereigneten sich jedoch 1945: Eine Verzögerung von nur fünfzehn Sekunden verursachte am 12. März das Unglück. Die jungen, unerfahrenen amerikanischen Piloten verpassten den exakten Zeitpunkt zum Abwurf und verfehlten ihre Ziele in Floridsdorf. Am 12. März wurden die Wiener Staatsoper, der Philippshof, die Albertina, Messepalast, große Teile der Ringstraße und das Burgtheater zerstört.

Bei so gut wie keinem Angriff wurde nur das eigentliche Ziel getroffen. Die Größe und Staffelung der Bomberformationen brachten es mit sich, dass manche Bomben unkontrolliert fielen. Dazu kam, dass der Abwurf vor dem eigentlichen Ziel begann und darüberhinaus fortgesetzt wurde. Aus Angst vor der Flak wurden die todbringenden Bomben sehr rasch abgeworfen.

Die amerikanischen Piloten hatten Karten, auf denen die Ziele präzise eingezeichnet waren: Die Ölraffinerie in Wien Floridsdorf sowie Lokomotiv- und Rüstungsbetriebe auf einem Zielareal von 2,5 Quadratkilometern links der Donau. Es ist nicht eindeutig geklärt, ob an diesem 12. März 1945 Wien unter einer geschlossenen Wolkendecke lag oder ob nur Wolkenfetzen die Sicht auf das Zielgebiet nahmen.

Ein weiterer Luftangriff erfolgte am 15. März 1945 am Vormittag. Es wurde das Wiener Rudolfiner-Krankenhaus durch elf Bomben zerstört. Sechs Menschen kamen dabei ums Leben - drei Pflegende, eine Wäscherin, ein Sanitäter und ein belgischer Kriegsgefangener. Sie waren großteils unterwegs, um die Patientinnen und Patienten in Sicherheit zu bringen. Im Garten des Rudolfinerhauses erinnert eine Gedenktafel an diese Opfer.

Am 5. April 1945 begann die Schlacht um Wien. Sie dauerte neun Tage. Die Preise stiegen ins Astronomische, der Strom fiel aus, die Wasserversorgung war unterbrochen. Die Lebensmittelversorgung wurde in Wien und Umgebung prekär; es gab nur noch ein Pfund Brot pro Person und Tag. Zur Feier des 1. Mai verteilten die sowjetischen Truppen die "Stalinspende", die außer einer doppelten Brotration Bohnen, etwas Fleisch, Öl und Zucker umfasste. Die Hilfslieferungen wurden später von den Sowjets in Rechnung gestellt. Viel Wohnraum war durch russische Truppen belegt. Die Not förderte den Neid. Es grassierte das Denunziantentum.

Am 6. April verkehrte die letzte Straßenbahn. Einfallstraßen waren mit Panzersperren und Schanzen abzuriegeln. Frauen, Kinder und Greise mussten Barrikaden bauen. Einheiten der Waffen-SS erhielten den Befehl, alle großen Gebäude der Stadt in Festungen zur verwandeln. Dazu besonders geeignet erschien der Waffen-SS der Gebäudekomplex des Allgemeinen Krankenhauses. Hier befanden sich aber nicht nur rund 4000 Patienten, darunter viele verwundete Soldaten, sondern auch Hunderte Frauen, Kinder und politisch gefährdete Menschen, die Unterschlupf gesucht hatten.

Durch den mutigen Einsatz des Chirurgen Rudolf Schönbauer und seiner Ärzte blieb das Allgemeine Krankenhaus jedoch verschont. Es gelang den Ärzten, einen schwer bewaffneten Trupp von einrückenden deutschen Soldaten zum Abzug zu bewegen. Bald jedoch beschlagnahmten die Russen das gesamte Gebäude des AKH. Sie trieben die im Krankenhaus verbliebenen gelähmten Patienten, die nicht evakuiert werden konnten, im vierten Hof des AKH zusammen. Die Schwerverletzten wurden Richtung Osten verschleppt.

Das letzte Kapitel: Einmarsch der Roten Armee in Wien, im April 1945.

Die Schlacht um Wien forderte 5000 Tote. Wie viele davon Zivilisten waren, ist nicht bekannt. Verirrte Geschosse trafen Frauen beim Wasserholen oder beim Anstellen um Nahrungsmittel. Und dennoch ist Wien mit 28 Prozent der Gebäudeschäden relativ glimpflich im Vergleich zu Villach (85 Prozent) und Wiener Neustadt (88 Prozent) davongekommen.

Das war sicherlich auch ein Erfolg der Frauen Wiens: Sie sabotierten das Errichten von Barrikaden, sie hängten weiße Tücher in die Straßen, sie werden wohl auch so manchen "dummen HJ-Buben" von der Sinnlosigkeit des Einsatzes seiner Panzerfaust überzeugt haben.

Am 13. April 1945 wurde in Moskau die Eroberung Wiens mit Salutschüssen gefeiert.

Tragödie in Attnang

Am 21. April 1945 waren in Attnang Puchheim vor allem in der Schule viele Flüchtlinge aus den Ostgebieten untergebracht. Viele saßen aber auch in zwei Zügen am Bahnhof fest. Der Angriff von 300 Flugzeugen (2340 Bomben mit 640 Tonnen Sprengstoff) dauerte drei Stunden. Mindestens 700 Menschen starben im Bombenhagel.

Attnang war nicht nur Bahnknotenpunkt, sondern auch Umladebahnhof für eine geheime Raketentestanlage in Zipf. Nur im "äußersten Ernstfall" sollte in Attnang Fliegeralarm gegeben werden. Mit dieser Anordnung sollte ein vorzeitiges Aufsuchen der Schutzräume verhindert werden. Der kriegswichtige Betrieb am Vorbahnhof hatte Vorrang! Der Bevölkerung standen einige bombensichere Schutzräume zur Verfügung, die aber am 21. April nicht mehr erreicht werden konnten. So flüchteten Kinder, Frauen und alte Männer beim Angriff in einen bombensicheren Stollen in der Nähe des Bahnhofs. Dort fehlte die Belüftung, daher rannten die Menschen zwischen den Angriffen ins Freie, hofften auf Zuflucht in den Hauskellern, die jedoch überwiegend zerstört waren. Ein Großteil der Bevölkerung lief auf die Wiesen und Felder außerhalb des Ortes. Gerade südlich von Attnang ging ein tödlicher Bombenteppich mit 20 bis 25 Einschlägen auf die Flüchtenden nieder.

Unheil drohte auch jenen, die gehofft hatten, nordwestlich von Attnang am Steinbühel Schutz zu finden. Es waren jene 400 bis 500 Menschen, die sich in zwei Zügen im Bahnhof Attnang befunden hatten, als die ersten Bomben fielen. Es hatte sich aus Zeitmangel als unmöglich erwiesen, diese beiden Züge, die mit Flüchtlingen und Militärangehörigen besetzt waren, aus dem Bahnhof in Sicherheit zu bringen. So verließen die Menschen die Waggons und rannten in Richtung Steinbühel. Augenzeugen berichteten, dass von den 400 bis 500 Menschen kaum jemand überlebte.

Auf dem Steinbühel klaffte ein Bombentrichter neben dem anderen. Übrig blieben Kleiderreste und Knochentrümmer. Die Zahl der Opfer dieses Luftangriffes wird mit 700 angegeben. Nur 208 davon konnten namentlich identifiziert werden.

Der Neubeginn

Das neue Österreich wurde am 27. April 1945 ausgerufen, als um Berlin noch erbittert gekämpft wurde und Hitler noch lebte.

Im September 1945 begannen die Alliierten, österreichische Kriegsgefangene zu entlassen. Bis Ende 1949 kehrten 755.800 Männer nach Hause zurück.

Die Kriegsbilanz war erschreckend hoch: Einschließlich der Kriegs- und Ziviltoten, der Hingerichteten und Ermordeten verzeichnete Österreich an die 400.000 Tote, wozu noch Verwundete, Versehrte, Verschleppte, Kriegsgefangene und die hohe Anzahl an Emigranten kamen.

Literaturhinweise:

Brigitte Biwald: Sanitätsversorgung und Medizinische Betreuung in den Wiener Flaktürmen. In: Marcello La Speranza (Hrsg.): Flakturm-Archäologie, Wien 2013, S. 248-252.

Helmut Böhm: 1945 - der Tag der Tränen: Attnang-Puchheim im Bombenhagel zweier US-Luftflotten. Ried im Innkreis 2007.

Marcello La Speranza: Bomben auf Wien. Zeitzeugen berichten. Wien 2003.

Manfried Rauchensteiner: Der Krieg in Österreich 1945. Wien 1985.

Brigitte Biwald, geboren 1951, ist Historikerin und in der Erwachsenenbildung tätig, Schwerpunkt Medizingeschichte. Sie lebt in Perchtoldsdorf.