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Lügner, Spitzel und die Wähler

Von Martyna Czarnowska

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Eine Andeutung von einem Lächeln, den Kopf leicht nach rechts gedreht, die Brille in der Hand. Die Fotografie des polnischen Premiers Jaroslaw Kaczynski, auf Plakatform vergrößert, ist in Schwarz-Weiß gehalten. Ruhe und Stabilität soll sie vermitteln; als Motto prangt darüber: "Prinzipien verpflichten".


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Noch ist in Polen kein Termin für die vorgezogene Parlamentswahl festgelegt. Noch ist nicht einmal fix, ob die Abgeordneten kommende Woche mit Zwei-Drittel-Mehrheit für die Selbstauflösung des Sejm stimmen werden. Doch der Wahlkampf ist bereits eröffnet. Und Kaczynskis Regierungspartei PiS (Recht und Gerechtigkeit) ist die erste, die auf riesigen Plakatwänden in den Städten präsent ist. Die oppositionelle Bürgerplattform (PO) von Donald Tusk wird bald nachziehen müssen.

Dass die künftige Auseinandersetzung der beiden größten Parteien voller gegenseitiger Vorwürfe und Beleidigungen sein wird, ließen bereits die Auftritte bei den Konventen ahnen, zu denen die Fraktionen am Wochenende geladen hatten. Von einem Bankrott der Regierungspartei sprach Oppositionsführer Tusk und stimmte seine Anhänger darauf ein, "in einen großen Kampf zu ziehen". Lügen und nichts als Lügen hätten seine Widersacher parat, konterte Kaczynski.

Weit weniger als von den zwei Parteien des rechten Flügels ist von der Linken zu hören. Ein neues Mitte-Links-Bündnis (Die Linke und Demokraten) rund um Ex-Präsident Aleksander Kwasniewski hat bis jetzt weder ein ausgeprägtes Programm noch ein ebensolches Profil. Um das zu ändern, könnte die Zeit bis zur Wahl knapp werden. Die rechten Ex-Koalitionspartner in der Regierung, Samoobrona und Liga der Polnischen Familien, müssen überhaupt um einen Wiedereinzug in den Sejm bangen.

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In der Zwischenzeit können sich die Abgeordneten darüber streiten, welche Untersuchungsausschüsse eingesetzt werden sollen. So verlangte die Opposition Aufklärung über die Tätigkeit der Zentralen Anti-Korruptionsbehörde, deren Ermittlungen den Samoobrona-Vorsitzenden Andrzej Lepper das Amt des Vizepremiers kosteten. Brisant könnten dabei die Angaben des mittlerweile ebenfalls entlassenen Ex-Innenministers Janusz Kaczmarek sein - auch wenn Details darüber rar sind. Denn Kaczmarek sagte vor einem nicht-öffentlichen Ausschuss aus. Und in einer nächtlichen, ebenfalls nicht-öffentlichen Sitzung las der Parlamentspräsident den Abgeordneten bis vier Uhr in der Früh aus den Protokollen vor.

Klar ist nur, dass Kaczmarek seinem ehemaligen Regierungskollegen, Justizminister Zbigniew Ziobro, vorwirft, die Geheimdienste und die Staatsanwaltschaft für seine eigenen politischen Ziele missbraucht zu haben - etwa um Gegner bespitzeln zu lassen. Ziobro weist dies zurück; die Opposition fordert seinen Rücktritt.

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Mit dem Anspruch, das Land zu verändern, die Korruption zu bekämpfen und kriminelle Netzwerke zu entflechten, sind die Kaczynski-Brüder, Polens Premier und Staatspräsident, angetreten. Daraus geworden sei laut Opposition ein Klima des Misstrauens, durch Bespitzelungs- und Verleumdungsvorwürfe geprägt. Sollte die Regierung nicht bestätigt werden, wäre das jedenfalls keine Neuheit in der polnischen Politik. Seit 1989 wurde noch jede Regierung abgewählt.

Laut einer von der Zeitung "Rzeczpospolita" veröffentlichten Umfrage weiß jeder sechste Pole nicht, wem er seine Stimme geben soll. Die PO würde jeder dritte wählen. Mit drei Prozentpunkten dahinter liegt PiS. Doch schon einmal, vor den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen 2005, deuteten Stichproben bis zuletzt auf einen PO-Sieg hin. Mehr Stimmen an den Urnen erhielt jedoch PiS.

Individuelle Blitzumfragen aber ergeben ein Bild der Ratlosigkeit. Von fünf Menschen reagieren auf die Frage "Wen wählen?" fünf gleich. Kopfschütteln. Eine resignative Handbewegung. Ein Anflug von Verzweiflung. Dann die Gegenfrage: Ja genau, wen wählen?