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Lukaschenko weiter an Putin gekettet

Von Alexander Dworzak

Politik

"Wenn Russland zusammenbricht, werden wir alle sterben", sagt Belarus’ Diktator Lukaschenko. Sein Regime steht vor dem Ende, wenn Putin stürzt. Um am Ruder zu bleiben, nimmt Lukaschenko auch Wagner-Anführer Prigoschin auf.


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Belarus war bereits jetzt ein Ort der Angst und des Schreckens für Menschen, die frei ihre Meinung äußern wollen oder gar offene Kritik an Machthaber Alexander Lukaschenko üben. Dass Jewgeni Prigoschin, Anführer der Wagner-Söldner und gescheitert mit seiner Meuterei in Russland, nun Exil im Nachbarstaat gefunden hat, ist eine zutiefst beunruhigende Nachricht für die belarussische Opposition. Denn die Wagner-Truppen sind bekannt für ihre Skrupellosigkeit. Und Lukaschenko lässt keinen Zweifel daran, dass er Prigoschin und seine Getreuen für seine Zwecke einspannen wird: Belarus wolle von der Kriegserfahrung von Wagner-Kommandeuren profitieren, erklärte der Machthaber laut der staatlichen weißrussischen Nachrichtenagentur Belta.

Das wichtigste Gesicht der Opposition, Swetlana Tichanowskaja, richtete Prigoschin am Dienstag unfreundliche Willkommensgrüße aus: "Die Bürger von Belarus sind dagegen, den Kriegsverbrecher Prigoschin nach Belarus zu bringen. Seine Anwesenheit wird nur neue Gefahren bergen", sagte die Siegerin der Präsidentschaftswahl 2020, deren Ergebnis jedoch zugunsten von Lukaschenko gefälscht wurde.

Atomwaffen stationiert

Natürlich weiß auch Lukaschenko um die Gefahr, die in der Präsenz von Prigoschin und dessen Kämpfern potenziell liegt. Noch viel schlimmer ist für den seit 1994 regierenden Lukaschenko jedoch die Aussicht, dass Wladimir Putin nicht mehr Machthaber im Kreml ist. Der in Europa isolierte Lukaschenko ist nicht nur wirtschaftlich Russland völlig ausgeliefert. Auch das politische Überleben des 68-Jährigen sichert Moskau. Im Gegenzug konnte Russland das Territorium des Nachbarstaats im Vorjahr als Aufmarschgebiet für den Einfall in der Ukraine nutzen. Seither fanden mehrere gemeinsame Manöver von russischen und belarussischen Truppen in Weißrussland statt. Stärkstes Zeichen für die Abhängigkeit ist die Stationierung russischer Atomwaffen in Belarus.

"Das ist eine Symbiose", sagte Tichanowskaja im Februar im Interview mit der "Wiener Zeitung" über das Verhältnis zwischen Putin und Lukaschenko: "Sie haben beide keine andere Wahl. Putin braucht Lukaschenko. Und für Lukaschenko ist Putin der einzige Alliierte." Wie groß Lukaschenkos Sorge vor einem Machtwechsel in Moskau ist, zeigen seine Worte am Dienstag: "Wenn Russland zusammenbricht, werden wir unter den Trümmern zurückbleiben, wir werden alle sterben."

Über den Machtkampf zwischen Putin und Prigoschin sagt der belarussische Despot, zwei Menschen seien "aufeinandergeprallt". Keiner der beiden sei als Held zu bezeichnen. Lukaschenko übt sich in verbaler Schaukelpolitik, wie er sie viele Jahre gegenüber der EU und Russland erfolgreich praktizierte. Weder Putin noch seinem neuen Gast Prigoschin wird die Schuld an der Eskalation zugeschrieben.

Vielmehr bedachte Lukaschenko den Westen mit Kritik: "Die Bedrohung durch einen neuen globalen Konflikt war noch nie so nah wie heute." In der Region sei eine "neue Welle der Nato-Erweiterung und eine beispiellose Aufstockung der Kapazitäten der Bündnismitglieder" zu beobachten. Damit meint Lukaschenko Deutschlands Ansinnen, 4.000 weitere Soldaten an der Nato-Ostflanke in Litauen zu stationieren. Bis 2026 will das baltische Land die dafür notwendige militärische Infrastruktur schaffen, wurde am Beginn der Woche publik.

Wagner "komplett finanziert"

Unklar ist hingegen, wie es mit den Wagner-Söldnern weitergeht. Putins Sprecher Dmitri Peskow erklärte, er habe keine Übersicht über die Anzahl der Kämpfer, die Putins Angebot annehmen und sich den regulären russischen Truppen anschließen werden. Die Wagner-Truppe verfügt teils über jahrelange Kampferfahrung, unter anderem in Syrien, Mali und der Zentralafrikanischen Republik. "Wir haben diese Gruppe komplett finanziert", räumte Putin am Dienstag ein. Alleine von Mai 2022 bis zum heurigen Mai seinen dafür umgerechnet rund 930 Millionen Euro aus dem Staatshaushalt geflossen.

Nach der Entmachtung Prigoschins setzt der Kreml darauf, dass wieder Ruhe, also Stabilität, einkehrt. "Das ist erst der Beginn, glaubt hingegen Swetlana Tichanowskaja. "Die historischen Ereignisse können nicht rückgängig gemacht werden."