Der Deal mit Prigoschin stärkt den belarussischen Staatschef vorerst. Mittelfristig sieht es anders aus.
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Als Alexander Lukaschenko vor knapp drei Jahren mit dem Rücken zur Wand stand, kam ihm Wladimir Putin zur Hilfe. Der russische Präsident sicherte dem belarussischen Machthaber angesichts der massiven Straßenproteste damals nicht nur seine volle Unterstützung zu, mit Krediten in Höhe von 1,5 Milliarden Dollar hielt der Kreml das wankende Regime auch wirtschaftlich am Leben.
Nun ist es Lukaschenko gewesen, der Putin aus der Patsche geholfen hat. Der belarussische Präsident, der gerne als letzter Diktator Europas bezeichnet wird, vermittelte einen Deal zwischen dem Kreml und Jewgeni Prigoschin. Der Wagner-Chef brach den Aufstand seiner Söldnerarmee 200 Kilometer vor Moskau ab und stimmte zu, nach Belarus ins Exil zu gehen.
Für Lukaschenko, der nach der manipulierten Präsidentschaftswahl des Jahres 2020 und der blutigen Niederschlagung der Proteste im Westen endgültig zum Paria geworden ist, sieht das auf den ersten Blick nach einem großen Sieg aus. Der 68-Jährige, der im Verhältnis zu Putin immer der Juniorpartner war und sich dem Willen des Kreml-Chefs häufig auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sah, ist plötzlich jener Mann, der den russischen Präsidenten vor dem Abgrund bewahrt hat.
Mit dem Prigoschin-Deal hat sich Lukaschenko aber nicht nur aus der Umklammerung Russlands gelöst und seinen Handlungsspielraum erhöht. Putin dürfte seine Dankbarkeit dem Vernehmen nach auch durch billigere Gaslieferungen an Belarus zum Ausdruck bringen.
Auf längere Sicht betrachtet dürfte Lukaschenkos Sieg aber nicht so groß sein, wie er derzeit scheinen mag. Denn mittelfristig hängt Lukaschenkos Position nach wie vor massiv von der persönlichen Unterstützung Putins ab, der nun sichtbar geschwächt ist. Vor allem aber hat sich der Autokrat in Minsk mit der Aufnahme von Prigoschin einen Unruheherd ins Land geholt, der sein Regime in den kommenden Monaten destabilisieren könnte. Denn mit dem Wagner-Chef werden womöglich auch tausende seiner Söldner nach Belarus kommen, die nach vielen Monaten in der Ukraine nicht nur kampferprobt sind, sondern bei der Durchsetzung ihrer Ziele auch vor Kriegsverbrechen nicht zurückschrecken.
Für Lukaschenko, der bereits angekündigt hat, von den Erfahrungen der Wagner-Kommandanten lernen zu wollen, wird es daher vor allem darauf ankommen, wie gut es ihm gelingt, Putins ehemaligen Koch einzuhegen. Denn dass ein Mann wie Prigoschin, der sich bereitwillig mit den mächtigsten Akteuren in Russland anlegt, in Ruhe sein Exil in Belarus genießen wird, ist eher nicht zu erwarten.