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Große wirtschaftliche Probleme, ein zerrüttetes Verhältnis zur EU und zum Nachbarn Polen, totale Abhängigkeit von Russland, das für weitere Hilfen Privatisierungen verlangt und sich den Zugriff auf das weißrussische Tafelsilber sichert - und Freunde wie Venezuelas Präsident Hugo Chavez, die in erster Linie weit weg sind: Für Weißrusslands Diktator Alexander Lukaschenko sah die Welt auch schon besser aus. Der 56-Jährige hat seinem Volk, das unter der Abwertung des Rubel leidet, nur noch Durchhalteparolen anzubieten. Man werde sich "nicht in die Knie zwingen lassen", nicht "nach der Pfeife Brüssels" und Moskaus tanzen.
Diese Trutzburg-Mentalität erreicht aber immer weniger Menschen in dem immer noch weitgehend planwirtschaftlich geführten Land. Bereits bei den Wahlen im Dezember war auffällig, dass auf den Veranstaltungen von Oppositionellen durchaus nicht nur junge Urbane zu sehen waren, die die Fesseln des autoritären Sozialstaats sowjetischer Prägung, für den Lukaschenko steht, abstreifen wollen. Auch Arbeiter und Pensionisten tummelten sich im Publikum - eigentlich die Klientel des Präsidenten, der 1994 als populistischer Außenseiter gerade bei den einfachen Leuten, die Angst vor liberalen Reformen hatten, gepunktet hatte. Der Ex-Sowchosdirektor spricht direkt und unverblümt, vermeidet politisch-technokratische Floskeln, lobt und hält Standpauken - ein Stil, der vielen gefiel. Der Vater, der sich - streng, aber gerecht - um Haus und Hof kümmert, alles in Ordnung und Sauberkeit hält, der (solange man nicht aufmuckt) für alle sorgt - dieses gerade in Krisenzeiten vorhandene Bedürfnis hat Lukaschenko meisterhaft bedient. Seine Anhänger, die "Lukaschisten", dankten es ihm.
Bis vor kurzem. Nun ist der selbsternannte Kämpfer gegen die Krise selbst in der Krise - und sein Sturz wahrscheinlicher als noch im Dezember, als etwa 40.000 Oppositionelle bei klirrender Kälte demonstrierten. Aber: Wenn Lukaschenko fällt, hätte damit auch der "Lukaschismus" ausgespielt? Beobachter zeigen sich skeptisch - auch weil die anstehenden Reformen bei der veralteten Wirtschaft des Landes sehr schmerzhaft sein würden.