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Ulrike Lunacek konnte erst am 12. Oktober feiern, denn erst da war gewiss, dass die Grünen, den Wahlkarten sei Dank, ein 14. Mandat bekommen würden. Aber für Lunacek war die Kür wohl weniger ein
Grund zum Feiern als die Bestätigung ihrer Ansicht, "dass es Sinn macht, als deklarierte Lesbe für den Nationalrat zu kandidieren und so zur Erreichung der Menschenrechte von Lesben und Schwulen
beizutragen".
Menschenrechte für Lesben und Schwule
Denn wenn sich Lunacek auch seit Jahren in Fragen der Außen- und der Entwicklungspolitik engagiert, so gilt den Anliegen gleichgeschlechtlich Orientierter ihr besonderes Augenmerk. Sie komme zwar
aus der feministischen Frauenbewegung, erklärt Lunacek, doch habe sie mit der Zeit erkennen müssen, dass gewisse Probleme eben nicht nur Lesben, sondern auch Homosexuelle betreffen, und man deren
Lösung wohl nur gemeinsam herbeiführen werde können.
So gab es lange ein Werbeverbot für gleichgeschlechtliche Liebe und ein Organisationsverbot, worunter sowohl die Lesben als auch die Schwulen zu leiden hatten. Für Ziele wie die Gleichstellung von
gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften müsse man sich daher gemeinsam einsetzen, so die Jungpolitikerin, die selbst seit sechs Jahren mit einer Peruanerin in einer Lebensgemeinschaft verbunden
ist.
Und so hat sie sich auch ein bezeichnendes Motto gewählt: "It's normal to be different". Denn so etwas wie eine "Norm" mache vor dem Hintergrund der Verschiedenheit der Menschen ohnehin keinen Sinn.
Vom Waldviertel in die Tiroler Berge
Geboren wurde Lunacek 1957 im niederösterreichischen Krems. Da ihr Vater Molkereidirektor war, zog sie jedoch mehrmals in ihrer Jugend um. Verbrachte sie ihre ersten vier Lebensjahre in Gföhl im
Waldviertel, so lebte sie hernach einige Jahre in Amstetten, während sie die Mittelschulzeit in Wien absolvierte. Und Wien war Lunacek damals entschieden zu groß.
Nicht zuletzt ihre Sehnsucht nach den Bergen und nach einer überschaubareren Ansiedlung brachte sie dazu, 1975 ans andere Ende Österreichs zu übersiedeln. Sie begann, in Innsbruck Englisch und
Spanisch auf Dolmetsch zu studieren. 1983 erfolgte die Sponsion zur Magistra, und hernach begann eine bewegte Berufskarriere, die Lunacek in den Journalismus, aber auch in die Entwicklungspolitik
brachte: "Vor allem durch meine erste Reise durch verschiedene Länder 1978 und der Konfrontation mit der Diktatur Pinochets sowie der Armut in jenen Ländern bin ich politisch sensibilisiert worden,
und so entschloss ich mich dazu, auch hier in Österreich politisch aktiv zu werden."
Aufbau des Frauenhauses in Innsbruck
Zu ihren ersten politischen Meriten zählte der Aufbau des Innsbrucker Frauenhauses. Schon damals trat Lunacek allerdings auch für die Lösung ökologischer Probleme ein, wie eine von ihr
mitorganisierte Fahrraddemonstration anno 1979 bewies. Und heute noch zählen Radwanderwege neben Peru zu ihren liebsten Reisezielen.
Politisch interessiert war Lunacek freilich schon früher. Es war ihr Vater, der sie mit Politik konfrontierte. Als Direktor der NÖM hatte er nicht nur praktisch alle Zeitungen im Hause, die Lunacek
auch eifrig las, er brachte ihr auch das Know How des politischen Geschäfts bei, wenn er von einer Sitzung der Sozialpartner zurückkehrte oder Kollegen zu informellen Debatten zu Hause empfing.
1973 ging Lunacek für ein Jahr im Rahmen eines Austauschprogramms in die Staaten, was sich ebenfalls prägend für sie auswirken sollte. Nicht nur, dass sie dort viele LateinamerikanerInnen
kennenlernte, in ihr wuchs auch das Interesse daran, was in den unterschiedlichen Teilen der Welt vorging.
Erhellend war aber auch der puritanische und ignorante Zugang der Bewohner des Mittleren Westens. Deren Verhalten war im Europa der 70er Jahre eigentlich kaum mehr vorstellbar. Die Reise nach
Lateinamerika war so gesehen nur noch der letzte Anstoß zum eigenen Engagement.
Patria Jimenez: Lunaceks mexikanisches Vorbild
Als Abgeordnete will sie sich nun auch für Fragen der Entwicklungszusammenarbeit und der Außenpolitik einsetzen. Als Vorbild dient ihr dabei die mexikanische Parlamentarierin Patria Jimenez, die
ebenfalls deklariert als Lesbe auftritt und in den letzten vier Jahren sowohl in Frauenfragen als auch in bezug auf die Situation der indigenen Bevölkerung in Chiapas, wo bekanntlich die
Befreiungsbewegung der Zapatistas aktiv ist, einiges umgesetzt hat.
Man müsse erkennen, so Lunacek, dass Außenpolitik eben viel mehr meint als Europa oder die EU-Erweiterung. Der Nordsüdaspekt sei auch in seinem politischen Gehalt von einiger Brisanz und
dementsprechender Wichtigkeit. So will sie das Augenmerk des Hohen Hauses auch verstärkt auf die Probleme Lateinamerikas oder Afrikas lenken.
Diese Regionen haben es ihr auch musikalisch und literarisch angetan. So bevorzugt sie Ethno aus Lateinamerika und Afrika und schätzt AutorInnen wie Nadine Gordimer, Edoardo Galeano und Tsitsi
Dangarembga aus Zimbabwe.
Zwischendurch gönnt sie sich aber auch 'mal einen Whodunnit. Die Frauenkrimis des Ariadneverlages mag sie dabei besonders, wenngleich sie auch gegen eine Agatha Christie nichts einzuwenden hat.
Privat ist Lunacek gerne sportlich. Neben dem Rad als tägliches Fortbewegungsmittel zieht es sie ins Wasser und zum Schnee, schätzt sie doch Schifahren genauso wie den Langlauf. Krimis! Weniger
exotisch sind ihre kulinarischen Vorlieben. Neben Tee und Campari Orange hat sie eine Schwäche für gebackene Champignons und diverse Topfenspeisen.Õ
Andreas P. Pittler ist Redakteur der "Parlamentskorrespondenz"