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Luxemburger Steuerdeals im Visier des EU-Parlaments

Von Martyna Czarnowska und Walter Hämmerle

Politik
Der Lockruf des Herzogtums: Offiziell werden die Landschaften und Burgen gepriesen, wie auf diesem historischen Tourismus-Plakat, inoffiziell gelten aber die kaum vorhandenen Steuersätze als das beste Argument, dem kleinen Land im Herzen Europas einen Besuch abzustatten.
© corbis

Untersuchungsausschuss zu Vergünstigungen für internationale Konzerne rückt näher.


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Brüssel/Wien. Nur noch wenige Hürden haben die prüfwilligen EU-Abgeordneten zu nehmen. Kommende Woche könnten sie ihrem Ziel, einen Untersuchungsausschuss zur so genannten Lux Leaks-Affäre einzurichten wieder ein Stück näher kommen. Da nämlich steht das Thema der groß angelegten Steuervermeidung durch internationale Konzerne, die Regelungen in Ländern wie Luxemburg begünstigt haben, auf der Agenda eines Treffens des Präsidiums der EU-Volksvertretung, der neben Parlamentspräsident Martin Schulz auch die Fraktionsvorsitzenden angehören. Nach der Abstimmung in dem Gremium folgt ein Votum im Plenum des Abgeordnetenhauses.

Doch schon jetzt freuen sich die Initiatoren über einen Etappensieg. Als "echten grünen" Erfolg bezeichnet etwa Rebecca Harms, Fraktionsvorsitzende der Grünen, die sich abzeichnende Einsetzung des U-Ausschusses. Diesen hat ihre Gruppierung schon kurz nach den Enthüllungen eines Recherchenetzwerkes gefordert, das das Ausmaß der Tricksereien offengelegt hatte. Aufgezeigt wurden hunderte von Fällen, in denen Großunternehmen durch Vergünstigungen in einem Land sich vor der Steuerlast in einem anderen Staat drücken. Solche Möglichkeiten wurden Konzernen wie Apple, Amazon, Google oder Ikea nicht nur in Luxemburg eingeräumt. Die EU-Kommission prüft derzeit Steuerdeals im Großherzogtum, in Irland und in den Niederlanden.

Doch obwohl die Empörung, die "Lux Leaks" ausgelöst hatte, auch im EU-Parlament groß war, sind nicht alle Mandatare für die Schaffung eines Untersuchungsausschusses. Die dafür notwendigen 188 Unterschriften mussten erst einmal gesammelt werden. Sie kamen von den Grünen, von linken und liberalen Abgeordneten sowie einigen Mandataren der Christ- und Sozialdemokraten.

Vertreter der ÖVP und SPÖ finden sich allerdings nicht unter den Unterzeichnern. Die österreichischen Sozialdemokraten äußerten ihre Zweifel an der "Zweckmäßigkeit des Instruments U-Ausschuss", da seine Mittel zur Aufklärung begrenzt seien. Stattdessen plädierten sie für eine Prüfung der Enthüllungen im zuständigen Gremium für Wirtschaft und Währung, was die Einrichtung eines zeitlich begrenzten Sonderausschusses nach sich ziehen könnte. Die ÖVP hatte auch rechtliche Bedenken. Ein U-Ausschuss soll nämlich der Prüfung von "behaupteten Verstößen gegen das Unionsrecht oder Missständen bei der Anwendung desselben" dienen. Doch das - von der ÖVP ebenfalls kritisierte - System der Steuerdeals konnte nur deswegen funktionieren, weil steuerliche Regelungen nationale und keine EU-Angelegenheit sind.

"Ich mag Juncker"

Dass dies mit den Gesetzen seines Landes vereinbar war, darauf wies denn auch immer wieder der langjährige Luxemburger Premier und Finanzminister Jean-Claude Juncker hin, der mittlerweile Kommissionspräsident ist. Er ist ebenfalls durch den "Lux Leaks"-Skandal unter Druck geraten. Doch die Sorge mancher Christ- und Sozialdemokraten, der U-Ausschuss könnte zu einem Tribunal gegen Juncker werden, hält die Grünen-Politikerin Harms für unbegründet. "Das wird so nicht geschehen", sagte sie bei einem Treffen mit österreichischen Journalisten in Wien. "Ich mag Juncker. Er ist in der Lage, durch seine Art der Kommunikation die europäische Sache den Bürgern wieder näher zu bringen."

Die Abgeordnete geht sogar so weit, im U-Ausschuss eine Chance für den Kommissionspräsidenten zu sehen: Dieser könnte davon politisch profitieren, wenn er die Aufarbeitung der Vergangenheit und Gegenwart dazu nutze, das Problem der nationalen Sonderregelungen bei der Besteuerung von Konzernen zu lösen. So wäre der U-Ausschuss auch ein Schritt auf dem Weg zu einer Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung. Dabei müsse als Prinzip gelten, dass Steuern dort anfallen, wo ein Betrieb seinen Gewinn erwirtschaftet.

Harms hat dabei durchaus Verständnis für die Skepsis mancher kleinerer Staaten vor einer Vereinheitlichung. Ein gewisses Maß an Unterschiedlichkeit sei in der Standortpolitik akzeptabel, allerdings nicht im bisherigen Ausmaß.

Der Untersuchungsausschuss selbst ist für die Grünen die geeignete Maßnahme, weil das Gremium mehr Kompetenzen bei der Aufklärung habe als etwa der Berichterstatter in einem regulären Ausschuss. Ein solches Kontrollorgan wurde im EU-Parlament erst ein paar Mal eingesetzt. So hat es in den 1990er-Jahren eine Untersuchung zu den Folgen der Rinderseuche BSE gegeben. Auf dem Prüfstand stand vor knapp neun Jahren auch die Krise rund um die britische Versicherungsgesellschaft "Equitable Life Assurance Society".