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Luxusvillen und Feng Shui

Von Antoaneta Beslowa/IPS

Politik

In Chinas Millionenmetropole Peking kommen sich allmählich zwei Wirtschaftsfaktoren ins Gehege, deren Ausweitung, jede für sich, von der kommunistischen Regierung durchaus gefördert wird: der Kaufrausch der Bürger und der Tourismus. Seitdem jedoch Traditionsviertel und Sehenswürdigkeiten dem Bauboom weichen müssen, gibt es Ärger.


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Es stört nicht nur Touristen, dass die bekanntesten Teile der Großen Mauer oder der Blick auf die Hügelkette am Stadtrand durch Wochenendhäuser und protzige Stadtvillen wohlhabender Mittelklasse-Chinesen verstellt wird. Deshalb bemühen sich die Behörden neuerdings darum, den Bauboom in geordnete Bahnen zu lenken.

Der Stadtrat von Peking hat bereits eine Untersuchung der Baugenehmigungen für Luxusvillen angeordnet. Er reagierte damit auf eine Flut von Beschwerden, in denen sich Bürger darüber beklagten, dass Wohnprojekte für die Neureichen an besonders schön gelegenen Stellen hochgezogen werden, obwohl es sich bei dem Bauland häufig um ein nationales Kulturerbe handelt.

Auf der Hügelkette der Lieblichen Berge sind in der Nähe berühmter heiliger Stätten aus dem 14. Jahrhundert wie des Tempels des liegenden Buddha oder des Tempels der Blauen Wolken aufwendige Siedlungsprojekte geplant. An dem besonders malerischen Badaling-Abschnitt der Großen Mauer haben Architekten aus aller Welt hochmoderne Ferienhäuser gebaut, die sich in die altehrwürdige Szenerie einfügen.

"Wenn diese Entwicklung nicht bald gestoppt wird, dann werden die Touristen schon in wenigen Jahren überall in den Hügeln auf Schilder stoßen, auf denen sie lesen müssen: "Privateigentum, für Touristen verboten", beschwerte sich ein Kommentator auf der Website des KP Peking.

Einige Spitzenpolitiker befürchten, die Bauwut im Reich der Mitte werde auch vor staatseigenen Naturschutzgebieten und historischen Plätzen nicht Halt machen. Auch Natur- und Kulturschützer sind alarmiert.

Seit August, so berichtete die regionale Abendzeitung "Yangcheng", untersucht eine vom Bauministerium beauftragte Arbeitsgruppe verschiedene Bauprojekte in der chinesischen Hauptstadt und in den benachbarten Provinzen Henan und Hebei. Außerdem befassten sich zwei nationale Konferenzen mit den Vorwürfen. Am Ende räumte Bauminister Wang Guantao ein, einige Tourismusbehörden, denen es nur um Profit gegangen sei, hätten die Bedeutung der Umweltschutzes nicht berücksichtigt und Baugenehmigungen ausgestellt.

Chinas Eintritt in die Welthandelsorganisation und Pekings erfolgreiche Bewerbung um die Ausrichtung der Sommerolympiade von 2008 haben die chinesische Hauptstadt und ihre Umgebung zu einem Eldorado für Investoren gemacht, die große Geldmengen in teure Entwicklungsprojekte der Hauptstadt fließen lassen. Die seit zehn Jahren am Stadtrand entstehenden exklusiven Wohnviertel, in denen sich diejenigen, die es sich leisten können, ansiedeln, um dem übervölkerten, engen Stadtzentrum zu entfliehen, demonstrieren den neuen Trend.

Ursprünglich lebten leitende Angestellte ausländischer Firmen in diesen abgeschotteten Vorstadtenklaven mit Namen wie "Hauptstadtparadies", "Pekings Riviera" und "Garten der Dynastie". Nur sie konnten sich Monatsmieten von bis zu 10.000 US-Dollar leisten.

Hier, im meist frei liegenden Gelände, war auf kleinstem Raum alles zu finden, was ein erstklassiges Wohnviertel zu bieten hat: Schwimmbäder, Läden, Fitnesstudios, manchmal sogar Golfplätze. Auch Pekings internationale Schulen sind inzwischen in die feinen Wohnviertel am Stadtrand umgezogen.

Dass sich Chinas wohlhabender Mittelstand neue Häuser bauen konnte, wurde in großem Umfang erst möglich, als die Regierung vor zwei Jahren die Aufnahme von Hypotheken zuließ, berichtet die Immobilienberaterin Linda Lee. Sie arbeitet als leitende Angestellte bei "Jiyuan Real Estate Consulting Co." in Peking.

In einem Land wie China, in dem Städter im Durchschnitt über ein Jahreseinkommen von umgerechnet 827 Dollar verfügen und die Menschen auf dem Land nur 285 Dollar zum Leben haben und in dem es noch vor einer Generation kaum Privateigentum gab, zeichnet sich mit dem Bauboom eine erstaunliche Entwicklung ab.

Teures Pflaster

Überall im Land entstehen neue Wohnviertel mit so wohlklingenden Namen wie 'Drachengarten', in denen nach Angaben von Immobilienmaklern selbst ein kleines Haus 192.000 Dollar kostet. Der Kaufpreis erreicht schwindelnde Höhen, wenn die gewünschte Immobilie in den ehemaligen Jagdgründen chinesischer Kaiser vor den Toren Pekings liegt. An der Schnellstraße von Badaling, die direkt zur Großen Mauer führt, liegt ein weiteres begehrtes Wohngebiet mit Villenvierteln, die sich "Rosengarten" oder "Jadesee" nennen.

Ausländer wohnen am liebsten da, wo die sie eine gute Infrastruktur vorfinden und internationale Schulen", berichtet die Expertin Linda Lee. "Für viele Chinesen ist es vor allem wichtig, sich von einem Feng-Shui-Meister beraten zu lassen." Deshalb sei es sinnlos, wenn die Behörden die Ansiedlung von Wohnhäusern in Gegenden wie der Großen Mauer zu unterbinden versuchten, die nach Feng-Shui-Regeln als besonders Glück verheißend gelten.