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Lynchjustiz stürzt Bolivien in Krise

Von WZ-Korrespondent Tobias Käufer

Politik

Nach Schüssen auf Bergbauarbeiter ermorden diese den Vize-Innenminister.


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La Paz. Boliviens Innenminister Carlos Romero ist fassungslos: "Er wurde totgeschlagen, Vizeminister Illanes wurde feige und brutal ermordet", sagt das Kabinettsmitglied. Zuvor hatten Sicherheitskräfte auf Demonstranten geschossen, mindestens zwei Menschen starben. Daraufhin verschleppten die wütenden Kumpel Vize-Innenminister Rodolfo Illanes. Wie genau der Politiker starb, ist unklar. Angeblich habe er sich auf den Weg zu den demonstrierenden Kumpels gemacht, um einen Dialog zu starten. Fest steht dagegen: Die Todesfälle auf beiden Seiten werden das politische Klima in Bolivien vergiften.

Es geht bei dem Streit um eine zutiefst ideologische Frage. Lange stand die Vereinigung der Bergbaukooperativen (Fencomin) fest an der Seite des sozialistischen Präsidenten Evo Morales. Doch seit dessen Regierung Anfang des Monats die Reform des Bergbaugesetzes durch das Parlament peitschte, kocht an der Basis die Wut. Die Kooperativen wollen selbst entscheiden dürfen, mit wem sie bei der Erschließung der Rohstoffe zusammenarbeiten wollen. Dem hat der Staat einen Riegel vorgeschoben.

In der bolivianischen Verfassung gibt es dazu einen Passus, der klarstellt, dass "die natürlichen Ressourcen ein direktes, unteilbares und unverjährbares Eigentum und Besitztum des bolivianischen Volkes sind". Den Kumpel ist das zu viel Regulierungswut und Planwirtschaft, wohl auch, weil privater Anbieter höhere Löhne zahlen können und wollen als die staatliche bolivianische Konkurrenz.

Doch nichts fürchtet das Morales-Lager mehr als die Privatisierung der bolivianischen Rohstoffe. Dafür nehmen die Sozialisten auch einen Streit mit der Basis in Kauf, die nicht bereit ist, die Vorschriften aus der Hauptstadt zu akzeptieren.

Die Kumpel reagierten zunächst mit Straßenblockaden und gewalttätigen Protesten. Als die Polizei zudem Demonstranten festnahm, eskalierte die Situation weiter. Die Forderung nach Freilassung der Kumpel verpuffte wirkungslos. Inzwischen ist der Streit tödlich: Schüsse auf Demonstranten auf der einen, der Tod des Vize-Innenministers auf der anderen Seite machen aus dem Streik in Panduro rund drei Autostunden von La Paz entfernt eine nationale Krise.

Machtverlust für Morales

Für Boliviens Präsident Evo Morales ist die Krise in Panduro ein weiteres Signal seines schleichenden Machtverlustes. Bei einem Referendum über eine Verfassungsänderung, die seine erneute Kandidatur 2019 ermöglichen sollte, unterlag der sieggewohnte erste indigene Präsident Lateinamerikas jüngst. Hinzu erschütterten Korruptionsskandale die sozialistische Regierungspartei, ohne dass Morales dabei die tatsächlich Schuldigen zur Rechenschaft zog. Seine Reaktion auf die Vorfälle wird darüber entscheiden, ob sich aus der Krise in Pandura auch eine veritable Regierungskrise entwickeln wird. Es wäre nicht das erste Mal in Lateinamerika, dass Bergarbeiter einen Präsidenten in die Enge treiben würden.